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Nix fürs Küchenradio

■ Hörspiel von Iris Disse und David Höner

Auf den Doppelmörder Gary G. wartet das Erschießungskommando. Noch in den letzten Tagen vor seiner Hinrichtung wird er von einem Journalisten interviewt. Das Gespräch gerät zur Farce, der Journalist dringt mit seinen Fragen nicht zum Gefangenen durch. Mal versucht er sich als Moralapostel, mal neutraler Beobachter, doch seine unbeholfene Schauspielerei entlarvt ihn immer wieder als einen Schreiberling, der die Antworten auf seine Fragen schon vorher zu kennen glaubt. Der Gefangene ist angesichts von soviel Unverständnis bemüht, die Fassung zu wahren, markiert den harten Mann und läßt sich nur Plattheiten aus der Nase ziehen. So reden sie von Frage zu Frage aneinander vorbei.

Aussichtslos wie die Lage ist, stellt die Regisseurin des Stückes, Iris Disse, die Zuhörer gleich zu Anfang vor vollendete Tatsachen und beginnt ihr Stück mit den Schüssen des Erschießungskommandos. Das folgende Interview verläuft vor dem Hintergrund avantgardistischer Musik, kindlicher Wortspierlereien und wissenschaftlicher Vorträge über das Aussterben der Frösche. Man habe, so Sybille Becker-Grüll von der NDR-Hörspielredaktion, die allgemeine Atmosphäre der Gewalt unterstreichen wollen, an deren Ende nicht nur das Scheitern des Einzelnen, sondern das Aussterben der eigenen Art stehe. Assoziative Gestaltung und Produktion des Stücks seien ein Markenzeichen der Regisseurin, die ihre Karriere mit der Gründung der freien Theatergruppe Disse, Gries und Co - Theatre Compagny begann. Das Einschalten lohnt sich angesichts dieses überragenden Klang-spektakels aber nur, wenn der Hörer auf das krächzende Küchenradio verzichtet und sich das Stück auf der teuren Hifi-Anlage im Wohnzimmer anhört. Peter Schmitz

Heute abend, NDR 3, 20.15 Uhr

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