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Gesichter der Bewegung

Nina Treu Eine Zukunft für alle

Nina Treu will den Kapitalismus überwinden. Zu diesem Zweck hat sie das Konzeptwerk Neue Ökonomie mitgegründet.

Einem neuen Wirtschaftssystem verpflichtet: Nina Treu Bild: Konzeptwerk Neue Ökonomie

Von STEFAN HUNGLINGER

Präzise spricht Nina Treu und schnell. Auch über das Telefon ist zu erahnen, wie viel Energie in der 36-Jährigen steckt. Mit dieser Energie will Treu verschiedene soziale Bewegungen besser vernetzen. Denn, so sagt sie: „Viele Gruppen kommen zu ähnlichen Analysen, aber es fehlen oft die Kapazitäten, um Bündnisse zu bilden.“

Der Kongress „Zukunft für alle“, den Treu mit­organisiert hat und der noch bis Sonntag in Leipzig und online stattfindet, soll genau dafür Gelegenheit bieten. Die zentrale Frage dabei: „Wie wollen wir leben im Jahr 2048?“, in 28 Jahren, 200 Jahre nach der deutschen Revolution. „Und wie kommen wir dahin?“

Die Wohnungsfrage wird Thema sein beim Kongress, aber auch ökologische Landwirtschaft, offene Grenzen und queeres Leben in Sachsen. Die Organisator*innen erwarten 1.500 Teilnehmende. „Wir wollen keine gewaltvolle Revolution, aber doch das kapitalistische System überwinden und Umverteilung“, erklärt Treu. Transformation sei das Stichwort. Denn es gehe eben nicht um eine klandestine revolutionäre Gruppe, sondern darum, möglichst viele in der Gesellschaft mitzunehmen.

Nina Treu wuchs in Bayern auf. Während des Studiums der Politikwissenschaft und Volkswirtschaft in Heidelberg und am Sciences Po in Paris politisierte sie sich, arbeitete unter anderem bei Attac mit. 2007 beteiligte sie sich am Protest gegen das G8-Treffen in Heiligendamm. 2011 zog die Politologin nach Leipzig und gründete zusammen mit Kommiliton*innen das Konzeptwerk Neue Ökonomie, einen Verein, der sich transformative Bildungs- und Vernetzungsarbeit zur Aufgabe gemacht hat.

Wirtschaft für Menschen anstatt für Wachstum

Mit ihren teilweise ehrenamtlichen Mit­streiter*innen organisierte Treu im Jahr 2014 die vierte internationale Degrowth-Konferenz in Leipzig. Im Zuge dessen veröffentlichten die Engagierten den Sammelband „Degrowth in Bewegung(en)“. Heute aber setzen sie auf einen positiveren Begriff: „Degrowth, beziehungsweise Post-Wachstum, ist für viele sehr abstrakt und nicht leicht zugänglich. Beim Kongress geht es jetzt ganz um die Zukunft, eine Zukunft für alle.“

Ökologisch verträglich soll diese Zukunft sein, langlebig und reparabel die Produkte, geschlechtergerecht und genossenschaftlich organisiert wiederum die Unternehmen. Die Wirtschaft soll sich an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten, nicht am Wachstum.

Die Coronapandemie hat Treu noch in ihrer politischen Arbeit bestärkt, wie sie sagt, denn die Mängel im Wirtschaftssystem seien noch sichtbarer geworden. Somit stelle die Krise auch eine Chance dafür dar, dass Menschen sich noch mehr politisieren – und zu grundlegenden Veränderungen bereit werden. Basisdemokratisch, aber effektiv, so wünscht sich Treu die Arbeit in den sozialen Bewegungen und eigentlich überall. Das Konzeptwerk will zeigen, dass dies keine Utopie bleiben muss.