Nikolause hoffen auf mehr Protest im Januar

Nur rund 100 Menschen demonstrieren am Nikolaustag vor dem Kreuzberger Sozialamt gegen die Hartz-IV-Reform. Die Leute glauben nicht mehr an einen Erfolg der Proteste, erklärt der FU-Politologe Grottian die geringe Beteiligung

„Natürlich ist mir eine große Demo lieber als eine kleine“, sagt Hinrich Garms von der Berliner Anti-Hartz-Kampagne. „Aber man kann sich halt nicht aussuchen, wie viele Leute kommen.“ Garms blickt auf die rund 100 DemonstrantInnen, die gestern Vormittag vor das Kreuzberger Sozialamt gezogen sind. Um dem Motto „Mit der Rute zur Agentur“ gerecht zu werden, hat sich ein Teil von ihnen als Nikolaus verkleidet. „Ich glaube, viele bereiten sich auf die großen Aktionen im Januar vor“, erklärt sich Garms die geringe Beteiligung.

Die Kampagne leidet unter ihrem Mitgliederschwund. Knapp eine halbe Million Menschen sind im Großraum Berlin von Hartz IV betroffen; hundert Menschen bei einer Kundgebung sind da nicht einmal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. „Wir müssen das als Zwischenspiel vor den großen Aktionen im Januar sehen“, sagt Garms. Schließlich sei am 3. Januar 2005 die Aktion „Agenturschluss“ geplant. An diesem Tag startet Hartz IV. Dann wollen in rund 20 Städten die Menschen wieder auf die Straße gehen. Garms ist zuversichtlich, das sich dann auch wieder mehr Menschen beteiligen werden.

Die Nikolauskundgebung neigt sich mittlerweile ihrem Ende zu: Nach einer kleinen Abschlusskundgebung wird dem Sozialamtsleiter ein Sack mit rund 40 Hartz-IV-Anträgen überreicht. Mit der Demo wollte die Kampagne unter anderem auf die datenschutzrechtlich fragwürdigen Antragsformulare hinweisen. Beim Sozialamt kann man die Aufregung offenbar nicht ganz nachvollziehen. „Das hat schon alles seine Richtigkeit“, murmelt der Amtsleiter und zieht sich zurück. Danach löst sich die Demo langsam auf.

Noch am vergangenen Mittwoch hatte Peter Grottian von der Anti-Hartz-Kampagne sich gegen Kleinaktionen dieser Art ausgesprochen. Jetzt sieht der FU-Politologe seine Befürchtungen bestätigt. „Wir sind einfach nicht in der Lage, unsere Sympathisanten zu mobilisieren“, sagt Grottian. „Die Leute glauben nicht mehr dran, dass wir irgendetwas bewirken können.“ Gegen die Aktion selbst sei nichts einzuwenden, sagte Grottian. „Aber wir müssen uns besser beraten, wo wir in Zukunft den Hebel ansetzen können, um die Menschen wieder zu mobilisieren.“ Künftig müsse also vermehrt an einer Strategie gefeilt werden. In diesem Sinne wäre auch die Nikolaus-Kampagne sinnvoll gewesen: „Wenigstens wissen wir jetzt, wie Polizei und Sozialamt auf uns reagieren“, sagt Grottian. PHILIPP DUDEK