Nigerias Armee eröffnet Offensive: Rebellenbekämpfung per Totalangriff

Wenn die nigerianische Armee Rebellen bekämpft, geht es immer zu Lasten der Bevölkerung. Die Regierung spielt die Zahlen der Toten herunter und setzt die Militäraktionen fort.

General Charles Omoregie mit der Zeitung, die die 150 getöten Bewohner von Ayakoromor beklagt. Bild: dapd

Die Mangrovenwälder im Nigerdelta sind unübersichtlich. Kaum jemand scheint sich im Dickicht des nigerianischen Ölgebiets richtig auszukennen. Dazu gehört offensichtlich auch die Joint Task Force (JTF) des nigerianischen Militärs, die vergangene Woche rund um das Dorf Ayakoromor im Bundesstaat Delta zum Großangriff blies. Gesucht hat sie den berüchtigten Rebellenführer John Togo, der in der Nähe des Dorfs eins seiner Basiscamps haben soll.

Gefunden haben sie Togo dort nicht. Stattdessen wurden bei dem Angriff am 1. Dezember rund 150 Dorfbewohner umgebracht. Das zumindest schätzen Menschenrechtsaktivisten. Es wurden Hütten abgebrannt und Einwohner vertrieben. Nach Informationen des Roten Kreuzes gab es Schwierigkeiten, die Menschen anschließend mit Wasser, Lebensmitteln und Decken zu versorgen.

Timothy Antigha, Pressesprecher der JTF, kann angesichts der Zahl 150 nur mit dem Kopf schütteln. "Reine Propaganda und völlig aus der Luft gegriffen" schimpft er. Seiner Meinung nach seien höchstens neun Menschen Opfer des Militäreinsatzes geworden.

Doch seit Tagen geht es längst nicht mehr nur um Zahlen. Vielmehr ist eine Diskussion darüber entbrannt, wie überhaupt bei Militäreinsätzen mit der Zivilbevölkerung im Nigerdelta umgegangen wird. Denn die Militäraktionen verlaufen häufig alles andere als friedlich. "Es reicht doch nicht, die Zivilisten zu warnen, damit sie ihre Häuser verlassen können", schimpft etwa Ledum Mitee. Er ist Vorsitzender der nichtstaatlichen Bewegung für die Rechte der Ogoni, einer kleinen ethnischen Gruppe im Nigerdelta. Für ihn ist klar, dass der Schutz vor Rebellen nicht höher als das Leben der Einwohner vor Ort bewertet werden darf.

Ohnehin gelten die Einwohner im Nigerdelta als extrem marginalisiert. Zwar leben sie in Westafrikas Ölregion schlechthin, doch von dem durch das schwarze Gold geschaffenen Wohlstand kommt so gut wie nichts bei ihnen an. Kein Wunder auch, dass die Lebenserwartung bei gerade mal 41 Jahren liegt.

Das Nigerdelta hat sich nun auch Präsident Goodluck Jonathan auf die Fahne geschrieben, der als erster Staatschef Nigerias selbst aus der Ölregion stammt. Er forderte die JTF öffentlich auf, die Sicherheit von Zivilisten bei künftigen Einsätzen zu gewährleisten. Trotzdem will die JTF an den Einsätzen festhalten, erklärt Timothy Antigha. "Sie sind notwendig." Togo sei schließlich als Anführer der Niger Delta Liberation Force (NDLF) gefürchtet und gehöre zu einem der meistgesuchten Menschen im Delta. "Er ist für die Entführungen von Shell- und Chevron-Mitarbeitern stark verantwortlich. Deshalb müssen wir uns einfach wehren." Am 17. November hatten NDLF-Kämpfer bei einem Überraschungsangriff auf das Militär neun Soldaten der JTF getötet und mehrere Militärschnellboote zerstört.

Und im April 2011 wird in Nigeria gewählt. "Es ist doch nicht auszudenken, was passiert, wenn wir Togo bis April nicht fassen", sagt der Militärsprecher.

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