Niedersächsische Landeskirchen: Kirchenfusion wird weiter verhandelt
Über die künftige Kooperation der fünf Landeskirchen in Niedersachsen herrscht Uneinigkeit. Vor allem bei den kleineren Kirchen ist die Skepsis groß. Eine Kommission soll in den nächsten Monaten vermitteln.
HANNOVER taz | Über ihre künftige Zusammenarbeit haben die evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen bei ihrer Konföderationssynode am Wochenende in Hannover beraten. Die Möglichkeiten der weiteren Kooperation soll zunächst eine Kommission ausloten. Bis Jahresende soll sie konkrete Vorschläge vorlegen.
Im Raum steht dabei auch die Frage nach einer Fusion der fünf Landeskirchen zu einer evangelischen Kirche in Niedersachsen. Die Kirchen hätten einen öffentlichen Auftrag im Land, den sie nur gemeinsam wahrnehmen könnten, sagte der Braunschweiger Bischof Friedrich Weber, zugleich Ratsvorsitzender der Konföderation, vor dem gemeinsamen Kirchenparlament.
Ein Versuch zur Kirchenfusion 2009 war am Widerstand der kleinen Kirchen gescheitert. Vorangetrieben hatte ihn vor allem Hannovers damalige Landesbischöfin Margot Käßmann. Und auch jetzt spricht sich die größte der niedersächsischen Landeskirchen klar für eine einheitliche Kirche aus: "Wir sollten endlich die Grenzen der Herzog- und Fürstentümer verlassen", sagt der Sprecher der hannoverschen Kirche, Johannes Neukirch.
Die vier lutherischen Kirchen und die reformierte Kirche in Niedersachsen zählen gemeinsam über vier Millionen Mitglieder.
Der Loccumer Vertrag regelt seit 1955 ihre rechtlichen und finanziellen Beziehungen zum Land.
Konföderation: 1971 folgte der Zusammenschluss zur Konföderation der evangelischen Kirchen in Niedersachsen.
Kooperation: Bereits jetzt arbeiten die fünf Kirchen in verschiedenen Bereichen wie der Diakonie oder der Seelsorge bei Polizei und Feuerwehr zusammen. Gemeinsam unterhalten sie den Evangelischen Kirchenfunk Niedersachsen, der auch für den Evangelischen Pressedienst und die Evangelische Zeitung verantwortlich ist.
Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Schaumburg-Lippe - bislang entsprechen die Landeskirchen der Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts. Seit 1971 kooperieren sie in der Konföderation der evangelischen Kirche Niedersachsen. Die war gegründet worden, um die Belange der Protestanten mit einer Stimme vor dem Land Niedersachsen vertreten zu können - und ursprünglich als Vorstufe zu einer Fusion gedacht gewesen.
40 Jahre später sagen Prognosen den evangelischen Kirchen in Niedersachsen bis zum Jahr 2030 ein Drittel weniger Mitglieder und die Hälfte an Steuereinnahmen voraus. 4,3 Millionen Euro umfasst der gemeinsame Haushalt, den die Konföderationssynode am Wochenende verabschiedet hat - 200.000 Euro weniger als 2010.
"Einfach effizienter" sei eine einheitliche Kirche, sagt Johannes Neukirch von der hannoverschen Kirche angesichts dessen. Viele Arbeitsbereiche, etwa die Pfarrerausbildung, ließen sich durch eine Fusion zusammenfassen. "Es ist Unsinn, wenn jede kleine Kirche eigene Pastorenseminare unterhält".
Skeptische Töne zur Fusions-frage kommen noch immer aus den kleinen Kirchen. Von "erkenntnisbezogenen Unterschieden" spricht Johann Weusmann, Vizepräsident der reformierten Kirche mit Sitz in Leer. Diese gehört als einzige der fünf Landeskirchen nicht zur evangelisch-lutherischen Kirche. "Eine engere Kooperation", sagt Weusmann, "muss so gestrickt werden, dass die einzelnen Identitäten erhalten bleiben".
Und auch unter den Lutheranern ist das Spektrum breit: Während etwa die braunschweigische Kirche stark von der Aufklärung geprägt ist, steht man in Schaumburg-Lippe unter dem Einfluss der Erweckungsbewegung. "Es wäre töricht, unsere Selbstständigkeit leichtfertig aufzugeben", sagt der dortige Landesbischof Karl-Hinrich Manzke. "Die große Identifikation mit unserer Kirche und unsere stabilen Mitgliederzahlen liegen an unserer Eigenständigkeit, auch der des Gemeindelebens."
In den Nachbarländern Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern hat man sich derweil schon zu einer Fusion durchgerungen: Die nordelbische, mecklenburgische und pommersche Landeskirche gründen dort die Nordkirche mit dem Bischofssitz in Schwerin. Ein Fusionsvertrag ist unterschrieben, Pfingsten 2012 soll es ein Gründungsfest geben.
Die Fusion angestoßen hatten dort die Kirchenleitungen. Sie wollen Geld sparen. Drei Jahre war verhandelt worden. Für besonders große Debatten sorgte die Suche nach einem gemeinsamen Bischofssitz und einem Namen für das neue Gebilde - Fragen, von denen man in Niedersachsen noch weit entfernt ist.
Die Vorschläge zur Kooperation, die die Kommission der Konföderation dort in den nächsten Monaten erarbeiten wird, gehen zunächst an die Synoden der einzelnen Kirchen. Dort werden sie beraten und abgestimmt. Mit einer endgültigen Entscheidung ist in Niedersachsen frühestens Ende 2012 zu rechnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Neue EU-Kommission
Es ist ein Skandal
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative