Niederlandes neue Regierung: Ohne Wilders läuft jetzt nichts mehr
Liberale und Christdemokraten bilden eine Minderheitsregierung. Geduldet werden sie vom Rechtspopulisten und Islamgegner Geert Wilders. Ihr zentrales Projekt:Sparen.
ARNHEIM taz | Mit dem Champagner wolle er noch warten, sagte Mark Rutte, Fraktionsführer der rechtsliberalen VVD und wahrscheinlich der neue Ministerpräsident der Niederlande. Zuvor hatte er den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen mit Interimsfraktionsführer Maxime Verhagen vom Christdemokratischen Appell (CDA) wie auch mit dem Rechtspopulisten Geert Wilders zur Bildung einer neuen Regierung bekannt gegeben. Die Niederlande könnten nun durch ein rechtes Minderheitskabinett aus VVD und CDA regiert werden, das sich auf die Duldung durch Wilders Partij voor de Vrijheid (PVV) verlassen will. Diese Konstellation käme auf die karge Mehrheit von einem Sitz im niederländischen Parlament, also 76 von 150 Mandaten.
Erst am 111. Tag nach den Wahlen, bei denen die liberale VVD die meisten Stimmen erhielt, konnte ihr Chef Rutte die Regierungsbildung bekannt geben. Die Wochen zuvor hatten in Den Haag turbulente Koalitions- und Duldungsverhandlungen stattgefunden. Islamkritiker Wilders freute sich über den "historischen" Moment. Seine PVV würde nun als Mehrheitsbeschafferin im Zentrum der niederländischen Regierungspolitik Einfluss nehmen können, sagte er.
Jetzt müssen die Fraktionen der beteiligten Parteien dem Koalitionsvertrag zwischen VVD und CDA und dem Duldungsvertrag mit der PVV noch zustimmen. Außerdem sollen die Mitglieder des Christdemokratischen Appells auf einem Sonderparteitag am kommenden Samstag ihr Votum über die angestrebte Duldung durch die Rechtspopulisten abgeben.
In der Partei brodelt es. Etliche prominente Parteimitglieder haben sich kritisch bis ablehnend über die angestrebte Vereinbarung mit Wilders PVV geäußert - so auch der von Königin Beatrix eingesetzte Vermittler, Exministerpräsident Ruud Lubbers. Professor Herman Wijffels von der Universität Utrecht sagte in der TV-Sendung "Buitenhof", er halte diese Konstruktion mit nur einem Sitz Mehrheit für ein "ziemlich fruchtloses, machtloses Stück politischer Geschichte". Der kommissarische CDA-Justizminister Ernst Hirsch Ballin hat angekündigt, sich auf dem Kongress kritisch äußern zu wollen über den Kurs seiner Partei. Auch innerhalb der Fraktion äußerten drei CDA-Parlamentarier Kritik an der Zusammenarbeit mit dem erklärten Islamfeind Wilders. Zwei gehören der Fraktion noch an. Gesundheitsminister Ab Kling ist wegen seines Neins zu den Verhandlungen mit Wilders im September ausgeschieden.
Der Inhalt des Koalitions- und Duldungsvertrags soll am Donnerstag offiziell der Öffentlichkeit präsentiert werden. Bereits bekannt ist, dass die Regierung etwa 18 Milliarden Euro einsparen will. Wilders unterstützt das. An seine Zustimmung hat er im Gegenzug Forderungen im Bereich der Sicherheit, Integration und Immigration geknüpft.
Bekannt sind bisher grob folgende Änderungen: Es soll Einschnitte bei der sozialen Absicherung geben, im Gespräch ist beispielsweise die Kürzung der Arbeitslosenunterstützung sowie die Streichung einer speziellen Unterstützung für junge Behinderte. Die Beiträge für die medizinische Versorgung sollen teurer werden. Bei den Staatsbediensteten ist eine Reduzierung der Stellen geplant, Ministerien sollen zusammengelegt, Gehälter eingefroren werden. In der Kultur und bei öffentlichen Sendern sind Kürzungen vorgesehen, ebenso bei der Entwicklungshilfe. Geplant sind Einsparungen durch eine Anhebung des Rentenalters von 65 auf 66 im Jahr 2020, dies ist allerdings schon länger im Gespräch. 3.000 Polizisten sollen zusätzlich für Sicherheit sorgen, die Regelungen zur Immigration und Integration strenger gehandhabt werden.
Die Verhandlungspartner ließen untersuchen, wie man die Zusammenführung von Familien reduzieren kann, zum Beispiel indem man unverheirateten Partnern keine Genehmigung für den Aufenthalt erteilt oder Kinder über 15 Jahre nicht mehr ins Land lässt.
Sollten die Christdemokraten sich hinter Maxime Verhagen stellen und die Entwürfe absegnen, werden CDA und VVD die Minister und Staatssekretäre stellen. Für die Wilders-Partei sind keine Regierungsämter vorgesehen.
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