: Niederlage für US-LebensschützerInnen
In Florida bleibt die liberale Abtreibungsgesetzgebung bestehen / Die gesetzgebende Kammer des Bundesstaates will keine Gesetzesreform / Feministinnen feiern ihren Sieg / Stimmungswandel in den USA ■ Aus Washington Rolf Paasch
Bei ihrem Versuch, das liberale Abtreibungsrecht der USA zu demontieren hat die „Pro Life„-Bewegung am Mittwoch eine herbe Niederlage einstecken müssen. Auf einer Sondersitzung der gesetzgebenden Kammer des Bundesstaates Florida wurden überraschend sämtliche 14 Gesetzesentwürfe zur Einschränkung des Verfassungsrechts auf Abtreibung bereits in den Ausschüssen abgelehnt, so daß sie gar nicht erst dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt wurden.
Die Sondersitzung des Parlaments von Florida war das erste Kräftemessen zwischen den „Pro Choice“ und „Pro Life„ -Gruppen auf der Ebene der Bundesstaaten, nachdem der Oberste Gerichtshof in seinem Urteil vom 3. Juli zwar das seit 1973 geltene Recht auf Abtreibung grundsätzlich bestätigt, seiner Einschränung auf Bundesstaatsebene jedoch Tür und Tor geöffnet hatte. Die insgesamt 14 von den LebensschützerInnen in Florida eingebrachten Gesetzesvorlagen sahen unter anderem vor: eine einwöchige Frist zwischen dem Antrag auf Abtreibung und ihrer Durchführung, ein Verbot von Abtreibungen in öffentlichen Kliniken durch Staatsbedienstete, einen Lebensfähigkeitstest des Fötus außehalb des Mutterleibs nach 20 Wochen Schwangerschaft, Speziallizenzen für Abtreibungskliniken.
Mit ähnlichen Gesetzesentwürfen wollen die AbtreibungsgegnerInnen auch in andere Bundesstaaten gehen. Ihre Niederlage in Florida zeigt allerdings, daß sie die Stimmung falsch eingeschätzt hatten. Der Schock über das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom Juli, das ein längst für selbstverständlich gehaltenes Recht wieder zur Debatte stellte, hat viele Frauen aktiviert. Eine Sprecherin der größten nationalen Frauenorganisation NOW prognostizierte gar eine „neue Welle des Feminismus“.
Die Botschaft scheint bis ins Weiße Haus gedrungen zu sein. Nachdem Präsident Bush noch im Juli den Obersten Richter zu ihrem Urteil gratuliert und eine „Revision“ des Abtreibungsgesetzes gefordert hatte, hält er sich nun auf Anraten seiner Berater in Sachen Abtreibung zurück. Offenbar der gleichen Einschätzung folgend, stimmten am Mittwoch in Washington die Mitglieder des Repräsentantenhauses nach acht vergeblichen Versuchen zum ersten Mal für ein Gesetz, das die staatliche Finanzierung der Abtreibungen von Sozialhilfeempfängerinnen, die Opfer von Inzest oder Vergewaltigung geworden sind, vorsieht. Für die LebensschützerInnen geht der Kampf allerdings auch weiter. „Der wirkliche Test“, so der Präsident der „Right to Life„ -Organisation in Florida, Ken Connor, „kommt erst 1990“. Dann steht in Florida die Wiederwahl der lokalen Parlamente an, die am Mittwoch so gar nicht nach dem Geschmack „Pro Lifers“ gestimmt haben.
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