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Niederländisches ModellFrauenhaus auch für Männer

In Lübeck öffnet ein Frauenhaus seine Türen bundesweit erstmals auch für Männer. Andere Frauenhäuser bleiben skeptisch.

In Lübeck nicht mehr frei von Männern: Zuflucht im Frauenhaus. Bild: dpa

HAMBURG taz | Frauen, die in ihrer Beziehung Gewalt erfahren haben, finden in Frauenhäusern Zuflucht und Schutz, Männer haben keinen Zutritt – so das traditionelle Konzept. Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) rüttelt nun daran: Im Lübecker Awo-Frauenhaus sollen erstmals auch Männer beraten werden. Dies sei das Ergebnis einer langen Entwicklung, sagt Katjana Zunft, Mitarbeiterin im Lübecker Frauenhaus.

Die Einrichtung greift damit das niederländische Konzept der „Oranje-Huises“ auf. „Eine Familie besteht nicht nur aus der Frau und Kindern“, sagt sie. Nachdem das Frauenhaus bereits Paarberatungen außer Haus durchgeführt habe, seien sie zu dem Schluss gekommen, dies auch im eigenen Haus fortzusetzen. Trotz der räumlichen Trennung gebe es immer auch noch Dinge zu klären, bei denen der Mann mit einbezogen werden muss.

Hierfür will das Frauenhaus den Rahmen schaffen. „Aber nur, wenn die Frau das auch will“, sagt Zunft. Anhand einer Gefährdungsprüfung werde dann eingeschätzt, ob der Mann Zutritt zum Haus bekommt oder nicht. „Das läuft nach dem Ampel-Prinzip: Grün kommt rein, bei gelb sichern wir uns nochmal ab und rot bleibt definitiv draußen.“

Frauenhäuser in Zahlen

Das erste Frauenhaus in Schleswig-Holstein wurde 1977 in Rendsburg geöffnet.

Heute gibt es 16 Frauenhäuser im Land, davon 12 autonome (von freien Trägervereinen verwaltet).

Der Etat pro Haus berechnet sich aus dem Platzkostensatz. Pro Platz erhält die Einrichtung 10.800 Euro vom Land, teilweise bekommen die Frauenhäuser Extramittel aus den Gemeinden wie in Lübeck, Kiel, Wedel.

Insgesamt 1.107 Frauen mit 1.085 Kindern suchten im Jahr 2012 Schutz in einem schleswig-holsteinischen Frauenhaus.

Die Bewohnerinnen hätten bisher positiv auf die Pläne reagiert, so Zunft. Um die schutzsuchenden Frauen nicht zu gefährden, habe man umgebaut. Kameras und eine Sicherheitsschleuse, die nur mittels Chip geöffnet werden kann, sollen verhindern, dass ungebetene Gäste den Frauen zu nahe kommen. Ab Herbst soll ein männlicher Kollege das Frauenhaus-Team unterstützen, die Bewerbungsgespräche laufen bereits.

Aus den autonomen Frauenhäusern in Hamburg und Bremen sind Äußerungen von „erstaunlich“ bis „befremdlich“ über den Lübecker Versuch zu hören, offiziell wollte ihn aber gestern zunächst niemand kommentieren. Elke Sasse, Frauenbeauftragte der Stadt Lübeck, steht dem Projekt „optimistisch“ gegenüber. Wichtig sei zunächst aber, dass Lübeck überhaupt wieder zusätzliche Plätze für Frauen zur Verfügung stellt.

Im Jahr 2011 hatte die gelb-schwarze Landesregierung beschlossen, die Förderung des Awo-Frauenhauses zu streichen: Die Einrichtung sei zu wenig ausgelastet. Die fehlende finanzielle Unterstützung von 440.000 Euro zwang die Einrichtung in die Knie: Das Haus musste schließen. Das verbliebende autonome Frauenhaus klagte regelmäßig über Platzmangel. Mit dem Regierungswechsel im Mai rückten auch die Frauenhäuser wieder nach oben auf die Agenda. Das Land beschloss, die Frauenhäuser erneut mit mehr als 500.000 Euro zu fördern, die Einrichtung der Awo erhält 230.000 Euro für 15 Plätze.

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6 Kommentare

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  • D
    Doris

    Herzlichen Glückwunsch! Das Konzept des Oranje Huis ist innovativ und passt sich den Bedürfnissen der schutzsuchenden Frauen an. Viele Frauen wollen klärende Gespräche mit ihren Partnern - die Zahl der Zurückkehrerinnen nach einem Frauenhausaufenthalt ist eine konstante Größe, die sich zwischen 30% und 40% bewegen kann. Allein diese Tatsache rechtfertigt die Einbeziehung der Partner in die Beratung. Als Mitarbeiterin in einem Frauenhaus stelle ich mir schon länger die Frage: Ist unsere Hilfe doch zu sehr auf Trennung ausgerichtet? Eine 1 zu 1 Umsetzung auf deutsche Verhältnisse stelle ich mir allerdings schwierig vor - alleine die Gelder, die für bauliche und personelle Veränderungen notwendig werden, sind mit den Budjets der FHs in der jetztigen Finanzierungsituation nicht zu

    bezahlen. Die Diskussion, bzw. Auseinandersetzung um das Konzept des Oranje Huis wird in Deutschland schon einige Jahre geführt - das finde ich nun nicht befremdlich, sondern erfreulich. Doris

  • Dass die autonomen Frauenhausbetreiberinnen jetzt erst einmal geschockt tun ist scheinheilig.

    Sie wissen, dass die „Ampel“ nur ausnahmsweise auf grün schaltet. Und sie wissen selbst am besten, warum das so sein wird.

     

    Es gilt weiterhin Staatsknete abzugreifen und darum, dass die AWO bisher 440.000€ in dem einen Frauenhaus versenkte und nun immerhin noch 230.000€ erhält, während die Autonomen für 15 Plätze in Wedel mal gerade 174.000€ veranschlagten und selbst diese für ein Jahr (2012) nicht auf gewohntem Wege bekamen. Das weckt bei anderen Begehrlichkeiten (Klagen über Platzmangel? Emden zu 60% ausgelastet).

    Da aber die Dummen nicht aussterben, wurde nach Wedel so viel Geld gespendet(?), dass der Laden dort weiterhin den Betrieb aufrechterhalten konnte – übrigens mit einer Auslastung, die es ihnen ermöglichte die Väter der dort isolierten Frauen und Kinder durchschnittlich satte 68 Tage vollständig auszugrenzen. Rechnet man großzügig Blindbuchungen und Kurzaufenthalte zu einem Drittel heraus, sind mehr als drei Monate für Umerziehung von Frauen und Kindern möglich, oder eben eine Auslastung die der in Emden entspricht.

    Datengrundlagen: Emden, Elmshorn, Wedel

     

    Das Frauenhausmodell ist ein lukratives Geschäft das sich mittenmang einreiht, in das Helfersystem, das Barbara Schönherr im Tagesspiegel 2011 einer breiten Öffentlichkeit vorstellte.

  • Wenn so eine Einrichtung nicht ausgelastet ist, dann wird eben der Aufgabenbereich erweitert. Um "geschlagene Männer", von denen es sicherlich mehr gibt, als man gemeinhin für möglich hält, geht es hier doch nur am Rande. Allein die Fördermittel für die Einrichtung steht hier im Vordergrund - und das ist schlecht.

  • Frauen – schutzbedürftige, friedliebende Wesen.

    Jedes traditionelle Frauenhaus ist Aushängeschild solch überkommener, verlogener und sexistischer Geschlechterkonstrukte.

  • Gute von der Awo in Lübeck!

     

    Deutschland ist in Punkto Männerschutz ja noch sehr sehr rückständig! Leider!

     

    Es gibt hier noch nicht viele solcher Initiativen. Eine von ihnen: Gewaltschutzhaus - Hilfe für Männer

     

    http://www.gewaltschutzhaus.de/

  • Wohin gehen eigentlich lesbische Frauen, die von ihrer Partnerin mißhandelt wurden?

    Dieser bericht sagt eigentlich nur aus, daß auch Männer Gewaltschutz benötigen, aber gleichzeitig stellt er dar, daß Frauen die besseren menschen sind, weil sie ja mittels Sicherheitsschleusen vor "dem Mann" geschützt werden müssen.

    Vielleicht hilft dieser link:

     

    "153 Mal wurde die Karlsruher Polizei im Jahr 2011 wegen häuslicher Gewalt gerufen. Bei den teils handgreiflichen Streitereien zwischen Ehemann und Ehefrau oder zwischen Lebenspartnern waren aber nicht immer nur die Männer die Täter. Wegen steigender Nachfrage hat der Karlsruher Verein für Jugendhilfe nun eine Anti-Gewalt-Beratung für Frauen eingerichtet. Auch ein Anti-Gewalt-Training soll angeboten werden."

     

    http://genderama.blogspot.de/2013/08/wegen-steigender-nachfrage-karlsruhe.html