Niederländischer Politiker Dick Schoof: Ein Premier wie ausgestanzt
Er war einer der höchsten Beamten der Niederlande, nun soll Dick Schoof Premier werden. Böse Fragen zu Wilders? Beantwortet er lieber nicht.

Der erste Eindruck, den man da von ihm bekam, war durchaus gemischt: ein agiler Mann, beinahe jugendlich wirkend für sein Alter, dem man seine Vorliebe für Joggen ansieht. Laut der Tageszeitung Het Parool kursierte auf den Ministerien, wo er den Beamtenstab leitete, früher der Spruch: „Wo ist Dick? Dort, wo ein Spiegel hängt.“ Zugleich strahlt Schoof diese sehr niederländische Mischung einer hohen Position mit unkomplizierter Zugänglichkeit aus. Und während er dort in die Kameras sagte, er wolle verbinden, der Premier aller Niederländer sein und sich verbal auch um die in den vergangenen Jahren so vermisste Nähe der Politik zu den Bürger*innen bemühen, musste man – ausgerechnet – an Mark Rutte denken. Der nun scheidende Premier hat ein ähnliches Auftreten, ist aber nach einer Reihe von Skandalen beim Gros der Bevölkerung inzwischen arg unbeliebt.
Natürlich fiel auch gleich diese Konstellation ins Auge: der umgänglich plaudernde Schoof, der sogleich den Schleier vor seinem Privatleben lüftete und berichtete, sich mit seiner Freundin und den beiden erwachsenen Kindern lange beraten zu haben über das neue Jobangebot. Dass er „Gutes tun“ wolle und dem Rechtsstaat dienen. Dieser Mann soll also Chef einer äußerst umstrittenen Regierung werden. Bei Vorstellung ihres Koalitionsvertrag rühmte diese sich unlängst, sie wolle mit dem strengsten Grenzregime der EU „Zugriff auf Migration“ bekommen. Auch erklärte sie Klima- und Euroskepsis zum neuen politischen Standard und kündigte an, etwa bei der Entwicklungszusammenarbeit Mittel zu kürzen.
Was all diese Inhalte und ganz besonders sein Verhältnis zu Geert Wilders PVV angeht, war Schoof freilich zu keinerlei Aussage zu bewegen. Wiederholt betonte er stattdessen, der Koalitionsvertrag sei ein Kompromiss aller vier beteiligten Parteien und seine eigene Funktion bestünde darin, ihn umzusetzen. Zur Frage eines Journalisten, ob er künftig an der Leine des PVV-Chefs laufen werde, äußerte Schoof sich nicht.
„Nestor der Den Haager Spitzenbeamten“
Unbestritten freilich ist, dass er zumindest auf dem Papier in die Stellenbeschreibung des Chefs eines externen Kabinetts passt. Wie ausgestanzt. Nachdem Schoof, wie er am Dienstag erklärte, 2021 seine schlafende Mitgliedschaft bei der sozialdemokratischen PvdA beendete, der er sich „nicht mehr verwandt“ fühlte, habe er ausreichend Distanz zum politischen Betrieb in Den Haag. Die Behörden, in denen er leitende Funktionen bekleidete – Immigrationsdienst, Geheimdienst, Justizministerium – rücken ihn zugleich in die Nähe von Politikfeldern, auf denen sich die kommende Rechtsregierung profilieren und definieren will.
Im Justiz- und Sicherheitsministerium unterhielt er zudem gute Beziehungen zu Ministerin Dilan Yeşilgöz von der liberal-rechten VVD, die angab „unglaublich froh über Dick“ zu sein. Wilders, der wegen islamistischer Morddrohungen seit vielen Jahren unter Personenschutz steht, kennt Schoof aus seiner Tätigkeit bei der Anti-Terror-Koordination NCTV. Und er stand einer PVV-geführten Regierung schon da nicht ablehnend gegenüber, als die linke Wochenzeitung De Groene Amsterdammer ihn im vergangenen März als „Nestor der Den Haager Spitzenbeamten“ interviewte.
Wie er in dieser Funktion den Rechtsstaat zu schützen gedenke, sollte dieser in der kommenden Zeit unter Druck geraten – das war eine zentrale Frage in diesem Gespräch. Schoof distanzierte sich umgehend von der Sichtweise, „dass die Demokratie wegen des Wahlergebnisses im Begriff ist zu sterben“. Und ergänzte: „Es ist natürlich nicht so, dass, wenn ein Viertel der Leute die PVV wählt, dann ein Viertel der Leute auf einmal alles falsch sehen.“ Bei Geert Wilders dürfte die Aussage nicht schlecht angekommen sein.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Wahlkampf in Deutschland
Rotzlöffeldichte auf Rekordniveau
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA entwerfen UN-Resolution zum Krieg in der Ukraine ohne jede Kritik an Russland
+++ Die USA unter Trump +++
Trump entlässt den Generalstabschef der US-Streitkräfte