Niebels großes Projekt: Fusion unter Vorbehalt
Dirk Niebel bringt den Zusammenschluss der drei großen Organisationen durchs Bundeskabinett – doch die ganze Reform steht unter Finanzierungsvorbehalt.
Selten ist Dirk Niebel in der Bundespressekonferenz anzutreffen, üblicherweise genügen die eher bescheidenen Räume im elften Stock seines Entwicklungsministeriums (BMZ) in der Berliner Stresemannstraße aus, um Neues aus dem kleinsten Bundesressort zu verkünden.
Nicht so an diesem Mittwoch.
Denn was der FDP-Mann zu verkünden hatte, ist das Projekt seines ersten Amtsjahres. Das Bundeskabinett hatte kurz zuvor gebilligt, dass Niebel die drei großen Entwicklungsorganisationen Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), Deutscher Entwicklungsdienst (DED) und die Weiterbildungsagentur Inwent zu einer neuen Organisation zusammenführen darf. Zur Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, der GIZ.
Damit reagiert Niebel auf eine mehrfach von der OECD vorgetragene Ermahnung, endlich Ordnung in das Chaos der staatlichen Entwicklungsorganisationen zu bringen - rund 30 sind nebeneinander tätig. Schon der Bundesrechnungshof hatte kritisiert, dass über 1.000 Stellen eingespart werden könnten, wenn Doppelstrukturen bei Verwaltung, Länderreferaten und Strategieabteilungen abgebaut würden. Denn bis heute entwerfen die einzelnen Organisationen eigene Strategien, obwohl dieses das BMZ machen oder gebündelt von einer Organisation unternommen werden könnte.
Insgesamt 17.000 MitarbeiterInnen sind von der nun im Grundsatz beschlossenen Fusion betroffen, die meisten davon in der GTZ, die zugleich mit Abstand den meisten Umsatz macht. Dass der neue Name GIZ dem der GTZ ähnelt, mag deshalb kein Zufall sein. Genauso wenig, dass sich DED und Inwent nun doch in den Rechtsrahmen der GTZ eingliedern müssen. Auch dass sich nach langen Verhandlungen doch noch der Sitz der GTZ, das hessische Eschborn, als gleichberechtigter Zweitsitz neben Bonn behauptet hat, mag mit dem großen Einfluss der GTZ erklärt sein, die politisch geschickt in Berlin agiert.
Erst auf dem Hessenfest in der vergangenen Woche in der Landesvertretung in Berlin hatte der Eschborner GTZ-Vorstand Bernd Eisenblätter dem Eschborner Nochministerpräsidenten Hessens Roland Koch die Zusage für die hessische Kleinstadt abgehandelt, wird in Berlin gemunkelt. "Viel Kraft für Koordinierung von unten" umschreibt der Entwicklungsstaatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz auf der Pressekonferenz das Ringen um die Standorte, um dann bestimmt zu werden: "Das ist nun zu Ende." Denn eines der Ziele der Reform ist eine Verbesserung der Steuerungsfähigkeit des Ministeriums gegenüber dem "Entwicklungsgoliath", wie er die neue Organisation genannt hat.
Inhaltlich erwartet sich das BMZ neben der Steuerungsfähigkeit eine Verschlankung der Personalstrukturen, jedoch ohne betriebsbedingte Kündigungen. "Wir wollen ausdrücklich bei den Durchführungsorganisationen Einsparungen haben", sagte Niebel. Zudem soll der Außenauftritt vereinheitlicht und die Koordinierung zwischen den verschiedenen entwicklungspolitisch aktiven Ressorts verbessert werden. Hierfür gründet Niebel einen "Ressortkreis Technische Zusammenarbeit", den das BMZ leitet. Eine Koordinierung aller entwicklungspolitischen Maßnahmen konnte Niebel jedoch nicht durchsetzen. Aus dem Kabinett wird berichtet, dass die anderen Ressorts dies verhindert hätten. "Das BMZ ist stark in den Reformprozess gestartet und schwach herausgekommen", sagte die Grüne Ute Koczy der taz.
Auf den letzten Metern wurde Niebel zudem ein Finanzierungsvorbehalt in das Fusionspapier eingearbeitet. Nun muss er beweisen, "dass die Strukturreform in der Summe zu finanziellen Einsparungen führt". Dies wird nun untersucht, doch wegen der verschiedenen Tarifverträge wird erwartet, dass die Fusion zunächst Geld kostet. "Es steht die Gefahr im Raum, dass das ganze Projekt noch scheitert", sagt Koczy.
Kein Teil der Fusion wird die Entwicklungsbank der Kreditanstalt für Wiederaufbau sein, an deren Reform sich Niebels Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) erfolglos versuchte. Und weswegen der SPD-Politiker Sascha Raabe Niebel einen "fehlenden entwicklungspolitischen Kompass" vorwirft. Im Herbst sollen die Verträge unterschrieben werden. Und alle fehlenden Antworten müssen geliefert sein, in dieser "epochalen Reform", wie sie Niebel nennt.
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