■ Nachschlag
: Nicky Silvers „Fit in Fesseln“ am Potsdamer Hans-Otto-Theater

Ein aquariumartiger Raum, Marke Loft, in Grellorange. Dann kommt Arloc, jung, reich, schwul und in Zartrosa gekleidet. Der letzte Lover hat ihn mit Aids infiziert. Wahrscheinlich, denn der Brief mit dem Befund bleibt ungeöffnet. Arloc stürzt sich noch mal ins Leben – sofern das dem verklemmten Dandy überhaupt möglich ist. Schleppt den schönsten Engel der Weihnachtsshow in der Radio City Music Hall ab. Der hatte sich den Abend ganz anders vorgestellt. Doch für eine Flucht ist es zu spät. Jetzt sitzt er gefesselt auf einem Stuhl. Bondage heißt die Liebestechnik, die ihm mehr Schreck als Lust einflößt. Und dann taucht auch noch Arlocs schrille Mutter auf. Die kauft den knackigen Engel schließlich ein, als Liebhaber für ihren Sohn und für sich selbst. Diese Dreierménage macht nun wider Erwarten alle ziemlich glücklich, und in ihren neurotischen Verstrickungen laufen die drei zu Hochform auf. Nur Carl nicht, der verlassene Ehemann von Arlocs Mutter. Der will sie wieder, kriegt sie aber nicht. Beim Sohn und dem gemeinsamen Gespielen gefällt es ihr viel besser als im lauen Luxusleben mit dem vegetarischen Gemahl. So weit der Plot.

„Hintergründiges Boulevardtheater“ heißt es immer über die Stücke des New Yorker Kultautors. Aber am Potsdamer Hans- Otto-Theater merkt man nicht, wo der Boulevard aufhört und der Hintergrund anfängt. Was vielleicht an der Regie der jungen Silvana Kraka liegt, die hier ihr Debüt als Regisseurin gab. Sie verlegt das Drama des armen reichen Dandys routiniert an die Rampe und liefert noch das letzte bißchen Hintergrund dem Gelächter aus. Vielleicht liegt es aber auch an dem Stück selbst, das bloß ein neuer Aufguß alter Konstellationen aus besseren Stücken des Serien-Täters Silver ist, der hier sein Erfolgsmuster weiterstrickt.

Die Normalos im Publikum jedenfalls lachten über die tolpatschigen Verführungskünste von Thomas Mathys' Arloc und Rita Feldmeiers schrille amerikanische Neurosen-Queen und waren zufrieden. Falilou Seck als Weinachtsengel war ziemlich sexy und brachte einen Hauch modischer Trash-Kultur ins brave Hans-Otto-Theater. Ein paar hundert Meter weiter am Luisenplatz gastierte live die Lindenstraße. Doch das ist wieder eine andere Geschichte. Esther Slevogt

Heute und 19.6. um 19.30 Uhr; „Fit in Fesseln“. Deutsche Erstaufführung; Regie: Silvana Kraka, mit Rita Feldmeier, Thomas Mathys, Falilou Seck, Peter Pauli