■ Vorschlag: Nicht zuletzt Algier! Lesereihe in der Literaturwerkstatt
Etwas irreführend ist der Titel schon: „Paris-Berlin“ heißt die Lesereihe, die heute abend im Rahmen der Berliner Festwochen in der Literaturwerkstatt beginnt. Es ließen sich schließlich den zwei titelgebenden ohne weiteres andere Städte hinzufügen: Istanbul, Moskau und nicht zuletzt Algier. Denn ein guter Teil der 12 Autoren, die bis Donnerstag in Pankow zu Gast sein werden, bewegt sich zwischen Nationen und Sprachen, und bei anderen spielt der Blick über Frankreich bzw. Deutschland hinaus zumindest in den Texten eine nicht zu unterschätzende Rolle. Daneben verhandelt die Lesereihe den Generationswechsel innerhalb der französischen Literaturproduktion, und der Abschlußabend steht mit Pascal Boulanger, Michelle Grangaud und Karin Kiwus ganz im Zeichen der Lyrik.
Die heutige Lesung, an der Bernard Chambaz, Rachid Boudjedra und der den taz-LeserInnen wohlbekannte Zafer Senocak teilnehmen, läßt den nationalen Rahmen weit hinter sich. Chambaz wird einen Ausschnitt aus dem im letzten Jahr erschienenen Roman „Die Drehleier“ lesen. Ein 24jähriger Franzose, Etienne, wird eingezogen, um in Algerien gegen die Unabhängigkeitsbewegung zu kämpfen. Lose Assoziationen und Erinnerungsfetzen flankieren seine Reise von Paris in „die Zone Süd Algier“. Ähnlich wie in Jean-Noäl Pancrazis Roman „Madame Arnoul“, der am Dienstag in Pankow vorgestellt wird, geht es bei Chambaz um ein Stück Literatur, das sich – so das Programm der Literaturwerkstatt – einem „zum Teil noch nicht aufgearbeiteten Kapitel der neueren französischen Geschichte“ zuwendet. Rachid Boudjedra arbeitet mit derselben Thematik, wenn auch von der Seite der Kolonialisierten her. Der 55jährige Autor, der in Ostalgerien geboren worden ist, in Paris studiert und zahlreiche Romane auf französisch verfaßt hat, schreibt seit mehr als zehn Jahren ausschließlich auf arabisch. Mit einem Auszug aus dem Roman „1001 Jahre Nostalgie“, einem seiner letzten französischen Texte, wird er von einem verwunschenen Dorf namens Manama erzählen, von O.V.N. Mohamed und dessen Furcht, den eigenen Schatten hinter sich zu tragen. Und auch von Vögeln, die von den Bäumen herab die Internationale intonieren: Der magische Realismus eines Garcia Márquez hat die Grenzen Lateinamerikas längst überschritten. Cristina Nord
„Paris-Berlin“: Literaturwerkstatt Berlin, Majakowskiring 46-48, Pankow. Mo.-Do. jeweils 20 Uhr. Heute: Rachid Boudjera, Bernard Chambaz und Zafer Senocak
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