: Nicht wirklich trendy?
■ Die Stereophonics wollen am Mittwoch einfach nur gute Songs spielen
Cwmaman ist ein Örtchen im Süden von Wales, so klein wie unaussprechlich. Und mit Sicherheit überhaupt nicht trendy. Dort wuchsen Kelly Jones und Stuart Cable in der selben Straße auf und spielten irgendwann gemeinsam Gitarre und Schlagzeug. Sie komplettierten sich als Band mit Richard Jones (immerhin „the coolest fucker in town“) am Bass und nannten sich nach einem Grammophon von Stuarts Großmutter Stereophonics. Bald eilte ihnen der gute Ruf einer kleinen Sensation voraus, und statt durch Bars zu tingeln, eröffneten sie für The Who in London. Bevor ihr Debüt-Album überhaupt in den Läden stand. Dabei haben sie doch nur ganz kleine Geschichten zu erzählen. Aus Cwmaman. Von dem, was man in England wohl Arbeiterklasse nennt.
Mit dem 1997er Debüt Words Come Around schwenkte der Spot auf die Stereophonics. Wieder einmal neue Beatles? Diese drei unspektakulären Gestalten, die nicht trendy sind oder sein wollen – oder einfach nur nie darüber nachgedacht haben. Toughe Jungs, die auch mit gebrochenen Knochen noch auf die Bühne des Traditions-Festivals in Glastonbury kriechen – von dem die Legende berichtet, die Milch der Kühe, die nach dem Wochenende wieder dort weiden, werde auf dem Londoner Drogenmarkt gehandelt.
Der endgültige Durchbruch war der Nachfolger, Performance And Cocktails, der sich über zwei Millionen mal verkaufte, während sich die Lichtgestalten der Idee Britpop selber demontierten: Blur wandten sich vom Mainstream-Publikum musikalisch ab, Oasis stolperten über sich selbst. Der Bedarf an neuen Ikonen war groß. Das Interesse der Stereophonics, diese zu werden, eher klein. Denn wozu? Einfach nur gute Musik wollen sie machen. Und stille Überzeugungsarbeit hatten sie schließlich mit ihrem Songwriting geleistet: Einfach, fast banal muten ihre Lieder an, und das im positiven Sinne. In minimaler Dreier-Formation – Gitarre, Bass, Schlagzeug – spielen sie ihre kompakten Popnummern. Der Lohn: 50.000 Fans beim heimischen Konzert in Swansea. Danach lag ihnen die Welt zu Füßen, sie betourten Japan und Australien und begleiteten die Red Hot Chili Peppers durch Europa; Tom Jones holte die drei Gesellen aus dem kargen Westen der Insel ins Studio: „Mama Told Me Not to Come“. Natürlich kassierten sie die Hipness-Messlatte Brit Award ein.
Seit einer Woche ist nun Just Enough Education to Perform veröffentlicht. Ein autobiografischer Titel? Songwriter Kelly Jones jedenfalls präsentierte sein Werk ganz still und fein auf einer Solo-Akus-tik-Tour durch England. Jones, der unumstrittene Kopf des Trios. Der so wenig fashionable Beobachter und Erzähler, der einst boxte oder begann, Film-Scripts zu schreiben, bis sogar die BBC Interesse zeigte – Jones jedoch nicht mehr. Ein umtriebiger Musiker, der gerade auf Manchilds aktuellem Album mitsang oder Paul Weller in der Brixton Academy besuchte. Auf den auch Romeo & Julia-Regisseur Baz Luhrman ein Auge warf, um ihn für eine Liebesgeschichte in Paris zu besetzen. „Nur Elvis schafft es, gleichzeitig Filme zu drehen und Songs zu schreiben“, lautete die Absage. So einfach ist das.
In Hamburg lässt sich nun der vorerst einzige Deutschland-Auftritt der Stereophonics begutachten (am 24. Juni spielt die Band – als Vorband von Bon Jovi – auf der Trabrennbahn), als Abstecher von ihrer umfangreichen US-Akustik-Tournee. Die ist dort natürlich ausverkauft, schließlich erwarten die Amis „the next big thing from Europe“. Sie wollen ja keinen Trend verpassen. Vielleicht sollten wir das auch nicht. Volker Peschel
mit Elbow: Mittwoch, 20 Uhr, Große Freiheit
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