: „Nicht so viele Heilige“
■ Restaurierung bis zum klösterlichen Kern: Propsteikirche St. Johann im Schnoor
Maria und Johannes der Täufer lagern im Keller, der Taufstein ist in die Krypta umgezogen, der Kreuzweg mit Plastikplanen verhängt, und die Kirchenbänke feierten gestern ihren Exodus: der katholischen Propsteikirche St. Johann im Schnoor steht mehr als nur Frühjahrsputz bevor. Die ehemalige Franziskaner-Klosterkirche, im 14. Jahrhundert erbaut und in den 70er Jahren schlecht renoviert, soll jetzt für 1,9 Millionen Mark restauriert werden. Gestern wurde mit der Räumung der Kirche begonnen, zum Hochamt an Weihnachten sollen die gotischen Hallen bereits wieder in frischem Glanz erstrahlen.
Der Propst und Pfarrer der Gemeinde St. Johann, Klaus Plate, gehört qua Amtsort zu den Puritanern: „Wir sind nicht die Wieskirch'n und nicht der Kölner Dom“, sagt er, „bei uns wird nicht alles mit Heiligenfiguren vollgestopft.“ Die klare, einfache Linie soll wiederhergestellt werden unter Kirchenbögen, wo einst Franziskaner-Bettelmönche – wegen ihrer grauen Kutten auch „Graue Brüder“ genannt – ihre Andachten abhielten. Verschont blieb die Klosterkirche von stilbrechenden Um- und Anbauten; ein nachträglich eingebauter Hochaltar wurde bereits früher wieder entfernt. Dennoch wirkt das Kirchenschiff heute nicht nur für katholische Verhältnisse extrem sparsam, sondern düster und dreckig.
Die Sünden der 70er Jahre zeigen sich nicht nur an den schmuddeligen Wänden, die mit der falschen Farbe gestrichen wurden. Loswerden will die Gemeinde bei der Gelegenheit auch die Auswüchse sakraler Kirchenkunst, die das „architektonische Juwel“ damals heimsuchten: der klobige Altar gehört ebenso dazu wie das reich verzierte Tabernakel, von der Gemeinde auch gern als „Kanonenofen“ bezeichnet. Der an den Eingangsbereich eines 1970 gebauten Jugendfreizeitheimes erinnernde Vorbau für die Orgelempore wird ebenso verschwinden wie das über dem Altar schwebende, gußeiserne und mit bunten Steinen versehene Kruzifix. Dafür ist hölzerner Ersatz bereits gefunden.
Der Künstler Johannes Niemeyer schafft einen neuen Altar, ein Tabernakel und ein Predigtpult. Und: Organist Wilfried Langosz freut sich auf die Generalüberholung seiner 47-Register-Orgel – dafür sind 400.000 Mark veranschlagt. Als Ergebnis soll man über die nach dem Dom zweitbedeutendste Bremer Kirche wieder sagen können, was Wilhelm Storck 1879 über St. Johann befand: In der Johanniskirche walten mathematische Formeln der Bauhütte, sie haben das Individuum vollkommen verschlungen.
Bis es soweit ist, wird die Gemeinde zu den Messen mit der Krypta und der Aula der benachbarten Schule vorlieb nehmen müssen – immerhin besuchen laut Zählung über 2.500 Gemeindemitglieder die verschiedenen Wochenend-Gottesdienste. Den Löwenanteil für die Restaurierung, eine Million Mark, übernimmt das Bistum Osnabrück, 600.000 Mark sind durch Kollekten und Spenden zusammengekommen. skai
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