: Nicht so souverän im Griff
„Litany For Survival“ – Das Leben und Werk von Audrey Lorde im Panorama ■ Von Anke Westphal
Zu schade, daß Filme über kluge, charismatische, originäre und lesbische Frauen fast nur von Lesben angesehen werden, wo doch auch heterosexuelle Mitmenschen Gewinn aus ihnen ziehen könnten. Wie aus „Litany For Survival. Life And Work Of Audrey Lorde“.
Audrey Lorde, 1992 an Krebs verstorben, widerlegte die Fixierung auf nur eine, sexuelle Seite ihrer Persönlichkeit per eigenem Leben und Selbstdefinition. Im Jahre 1991 zum „State Poet Of New York“ ernannt, beschrieb sie sich in ihrer donnernden Dankesrede als “black, feminist, lesbian, warrior, poet, mother“. Nein, Audrey Lorde hat sich keiner Bewegung als lebende Maske angediehnt, aber durch ihre Biographie bewiesen, daß Kunst und Politik zusammengehen können. Michelle Parkerson und Ada Gay Griffin haben sich redlich Mühe gegeben, in ihrer Dokumentation das Leben Audrey Lordes einzufangen.
Es ist ihnen nicht so recht gelungen. „Litany For Survival“ ist ohne Zweifel ein sehr schöner und ambitionierter Film, voller Archivbilder aus den 50er bis 90er Jahren, Interviews und Zeugenbefragungen — ein Sternmarsch durch die Geschichte der Frauen und schwarzen Frauen, Lesben und schwarzen Lesben Amerikas, unterlegt mit Zitaten aus Lordes Werk. „Litany“ läßt einen jedoch mit einem ersten Eindruck permanenter Stärke allein, und das ist ein ziemlich deprimierender Eindruck, wenn man die eigenen Widersprüche nicht so souverän im Griff hat, wie Audrey Lorde sie dem Film zufolge hatte. Es ist schwer vorstellbar, daß es tatsächlich so eine rein spaßige und mit links zu bewältigende Episode war, als Audrey Lorde sich verliebte und von ihrem weißen Ehemann trennte, um mit einer Frau zu leben. Aber vielleicht spielt mir auch nur die europäische Sozialisation einen fiesen Streich. Vielleicht sind Leben und Welt tatsächlich etwas, dem man entschlossen zurufen kann (und muß): “Problem, ich löse dich“. Jenes “constant edging of decision“, von dem Audrey Lorde selbst schrieb, habe ich jedenfalls in diesem Film ein wenig vermißt, doch das ändert immerhin nichts am zweiten Eindruck, den dieses, sagen wir besser, „Hohelied aufs Überleben“ hinterläßt. Es ermutigt einen, sich dem Leben mit Energie, Humor, Freude und — vor allem — Zuversicht auszusetzen, „to get involved“, und genau dafür bewundere ich nicht nur amerikanische und nicht nur Lesben grenzenlos.
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