: Nicht nur physikalische Phänomene
■ Ewigkeits-Konzepte und Hörerlebnisse: Gespräch mit dem Hamburger Komponisten Robert Engelbrecht
Menschen schalten Verstärker ein, legen elektrische Gitarren da-rauf und überlassen die dröhnende Konstellation ihrem Schicksal. Instrumentalisten spielen über Stunden das selbe Intervall, scheinbar ohne Veränderung. Was manchem ein kompositorischer Kalauer zu sein scheint, ist Konzept, wenn der Hamburger Komponist und Musiker Robert Engelbrecht noch bis Ende der Woche seine minimalistischen „Drohnen“ aufführt. Irritation wird in Kauf genommen, aber eigentlich sollen sich die Zuhörer in erster Linie wohlfühlen. taz hamburg sprach mit Engelbrecht über minimalistische Traditionslinien und unkonventionelle Konzertformate.
taz hamburg: Wenn du musikalische Einflüsse benennen solltest, welche wären das?
Robert Engelbrecht: Vielleicht Phill Niblock, obwohl ich ihn und seine Musik auch erst später kennen gelernt habe. Aber im Endeffekt so eine Tradition von Drone Music, die wahrscheinlich nicht mal bei La Monte Young losgeht. Da gibt es gerade in Amerika viele Leute, die auf die eine oder andere Weise damit arbeiten. Richtige Einflüsse sind vom Theoretischen her Alvin Lucier und eben La Monte Young. Bei letzterem generell dieses Konzept des Ewigen, auch ein bisschen diese Stimmungssachen. Und bei Lucier dann mehr so dieses Beobachten, die Versuchsanordnung. Und ganz allgemein ist natürlich John Cage sehr wichtig. Dieses Konzept, alles, was klingt, kann man auch irgendwie ästhetisch wertschätzen. Das eröffnet natürlich ganz neue Möglichkeiten, Musik zu machen. Aber das ist ja eigentlich auch schon ein alter Hut.
Ein Einwand dürfte sein, dass eigentlich nicht groß gespielt wird – und auch Musik-Kunst doch von Können kommen müsse...
Ja, der konventionelle Einwand ist: Das ist langweilig, da passiert gar nichts. Da ist ein Ton, ein Ackord, ein Sound – das geht ja auf die Nerven. Natürlich ist es mehr. Wenn man sich das eine Stunde lang anhört, passiert eine Menge. Es ist halt wie bei jeder Musik: Die Leute müssen ihre Ohren aufmachen, sich darauf einlassen.
Die Konzertabende in dieser Woche sind eine Art Werkschau?
Das sind alle Drohnen, die ich bisher so ausformuliert habe, genau. Die älteste, der Prototyp, das ist etwa fünf Jahre her. Das fing damit an, dass ich mir überlegt habe, wie ich mit einfachen Mitteln selber einen Sinustongenerator ersetzen kann: mit der Feedback-Gitarre. Dieses ganze System Gitarre–Verstärker ist sehr interessant: Töne verstärken sich und gehen wieder zurück; die Interaktion zwischen den Saiten. Nach und nach bin ich auf die Idee gekommen, daraus Stücke oder Kompositionen im eigentlichen Sinn zu machen, auch so eine Art Textpartituren zu schreiben. Bei der ersten Drohne habe ich noch versucht, den Ton zusätzlich elektronisch zu manipulieren. Erst später bin ich dahin gekommen, wirklich zu sagen: Hier hast du die Gitarre, du machst sie an und lässt es einfach laufen, egal was passiert. In letzter Zeit lese ich viel von und über Lucier und stelle fest, dass es ihm darum geht, physikalische Phänomene zu beobachten – und das ist dann das Stück. Auf dieser Ebene funktionieren diese Stücke auch. Die andere Ebene ist, dass ich das wirklich nur als Klangmaterial benutze, um einen Sound zu erzeugen. Und dann ist nur der wichtig und nicht, wo er herkommt. Grundsätzlich steht das Hörerlebnis im Vordergrund – auch für mich selbst. Es muss mir gefallen und ich muss es mir unter normalen Bedingungen anhören können, wie ich mir auch die Musik von anderen Leuten anhöre. Vielleicht ist es überhaupt das, was mich an Drones interessiert: Dass sie eben auf so viele Weisen erfahrbar sind. Man kann versuchen genau hinzuhören, auf die Schwebungen zu achten und was da so alles physikalisch-akustisch passiert; oder man macht einfach die Augen zu und lässt sich treiben. Was auch immer.
Die Zuhörer sind ja aufgerufen, sich zu bewegen, die Verstärker und Instrumente in Augenschein zu nehmen...
Wenn man sich eine Stunde oder so sowas anhören soll, dann soll man sich auch wohl fühlen. Wenn du dann auf einem Stuhl sitzt in so einer blöden Halle, dann ist das doof. Vor ungefähr 1 1/2 Jahren habe ich die Drohne mit den vier Gitarren in Portland aufgeführt, bei einem Festival für elektronische und elektro-akustische Musik. Das war dann auch wieder in so einem Saal. Aber da war der Veranstalter, der das moderiert hat und dem Pub-likum sagte, es wird einerseits nicht viel passieren, aber sie können gerne aufstehen und auf die Bühne kommen und sich alles ansehen. Und das hat funktioniert. Auf einmal war die Bühne voll mit Leuten. Das war sehr schön.
Interview: Alexander Diehl
Drohne 3 für elektrische Gitarre und Solo-Instrument: heute; Drohne 4 (Für Britta Höper) für vier elektrische Gitarren: morgen; Drohne 5 (Opiummusik) für vier elektrische Bässe (Uraufführung): Freitag, 8.3., jeweils 21 Uhr, Ausgangsbasis (Altonaer Str. 34)
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