piwik no script img

Nicht nur Artillerie im Visier der Nato

■ Einsatzplaner sind auch auf mögliche Ausweitung der Luftangriffe vorbereitet

Washington (AP/wps) – Die Einsätzpläne für mögliche Luftangriffe auf serbische Stellungen in Bosnien haben das ausschließliche Ziel, eine weitere Beschießung von Sarajevo zu verhindern, erläuterten militärische Experten in Washington am Donnerstag. Vor Journalisten im US-Verteidigungsministerium (Pentagon) sprach Brigadegeneral James Hill von einer „begrenzten, klar definierten und präzisen Mission“, bei der es um das Bemühen gehe, dem „Gemetzel“ in der bosnischen Hauptstadt Einhalt zu gebieten. Er fügte hinzu: „Das ist das einzige Ziel, das wir in diesem Stadium haben.“

Hill, der im Generalstab der USA der Abteilung für strategische Planung angehört, erklärte, die Tiefe der Sicherheitszone um Sarajevo sei auf 20 Kilometer festgelegt worden, weil dies der maximalen Reichweite der meisten Waffensysteme der serbischen Belagerer entspreche. Es wird geschätzt, daß die Serben dort 200 bis 300 Artilleriegeschütze oder weitreichende Granatwerfer, 50 Panzer sowie verschiedene Flugabwehrkanonen und Raketenwerfer stationiert haben.

Andererseits wird im Pentagon betont, die Ernstfallplanung beschränke sich nicht auf die 20 Kilometer breite Zone um Sarajevo, aus der die Belagerer nach dem Willen der Nato ihre schweren Waffen abziehen sollen. Walter Slocombe, hoher Beamter im Verteidigungsministerium, sagte, wenn die bosnische Hauptstadt wieder beschossen werde, „dann werden wir uns nicht die Mühe machen, die bestimmte Kanone zu finden, aus der eine bestimmte Granate abgefeuert wurde“. Es gebe Richtlinien dafür, was dann ins Visier genommen werden solle. Den Piloten sei es möglich, sowohl schwere Waffen als auch „militärischen Zwecken dienende Ziele“ anzugreifen. Darunter, so wurde angedeutet, verstehe man beispielsweise Kommandozentralen, Munitionsdepots oder Nachschublager, solange diese nicht in Wohngebieten lägen.

Über hundert Jagdbomber aus den USA und anderen Staaten der Nato, zumeist Großbritannien und Frankreich, stehen für mögliche Luftangriffe bereit. Sie könnten innerhalb von dreißig Minuten nach einem entsprechenden Befehl aufsteigen.

Der erste Einsatzbefehl darf erst nach einer entsprechenden Bitte der lokalen Unprofor-Kommandanten, gebilligt durch UNO- Generalsekretär Butros Ghali, bei der verantwortlichen Nato-Kommandantur in Neapel erfolgen, wo der US-Marineadmiral Jeremy Boorda die Operationen des Südflügels der Nato leitet.

Die bereitstehenden Nato-Flugzeuge sind bisher schon am „Unternehmen Flugverbot“ beteiligt: Im Auftrag der UNO überwachen sie den bosnischen Luftraum, der von der Weltorganisation für Flüge der Kriegsparteien gesperrt wurde. Diese Maschinen patrouillieren seit April vergangenen Jahres von Stützpunkten in Italien und von Kriegsschiffen in der Adria aus. Frankreich hat gestern nachmittag dazu seinen größten Flugzeugträger „Foch“ in die Adria entsandt, besetzt mit 1.800 Soldaten und begleitet von zwei Schiffen.

Nach Meinung von US-Militärexperten werden die bosnischen Serben die meisten ihrer schweren Waffen aus dem 20-Kilometer-Radius entfernen. Da aber Karadžic' Armee als undisziplinierter Haufen gilt, besteht die Sorge, einzelne Truppenteile könnten sich einem geordneten Rückzug widersetzen. Das könnte einen Nato-Luftangriff noch vor dem Stichtag 20. Februar auslösen, heißt es in Washington.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen