Nicht mehr voll, sondern da

Nach hochprozentigen Jahren ist Eishockey-Nationalspieler Christian Brittig nun auf dem Weg, sich wieder in der nationalen Spitze zu etablieren  ■ Von Holger Gertz

München (taz) – Ein Gespräch? „Meinetwegen“, sagt Christian Brittig, „nach dem Training, auf dem Parkplatz“, aber es soll nicht so lange dauern. Nach dem Training, auf dem Parkplatz, sitzt er auf einer Steintreppe und rutscht herum, die feuchten Haare zurückgebürstet, die rechte Hand knetet die Linke. Während er spricht, schaut er aus zusammengekniffenen Augen mal hierhin, mal dahin, und er faßt sich kurz. Klar, gut gefalle es ihm in München, die Mannschaft toll, der Trainer toll. Und er selbst, hat er endlich alles im Griff nach den turbulenten Jahren? Bestimmt, sagt Christian Brittig, und zu den turbulenten Jahren mag er nicht mehr erzählen, als „daß das keinen was angeht“.

Damit hat er recht und auch wieder nicht, denn wer so bekannt ist wie Christian Brittig (28), der muß damit leben, daß sich viele für alles interessieren, was er macht, auf dem Eis und daneben. Auf dem Eis hat er schon früh den Puck eleganter geschoben als die anderen, mit 17 in der ersten Mannschaft beim EV Landshut, nicht lange danach auch in der Nationalmannschaft, mit 22 in Calgary bei den Olympischen Spielen. Als Mittzwanziger hatte er bereits 35 Länderspiele absolviert. Ein Zauberer auf der glatten Fläche, umschwärmt, wohlhabend auch; so was kann einen abrutschen lassen.

Die turbulenten Jahre begannen, plötzlich waren überall Freunde, Christian Brittig ließ alles schleifen und fing an, Alkohol zu trinken. Viel Alkohol. Das hat in Landshut schnell die Runde gemacht, und als es dann im Stadion nicht mehr lief wie gewohnt, haben die Zuschauer „Säufer“ geschrien. Und die Zeitungen haben so was ähnliches geschrieben über den sensiblen jungen Mann, den sie gerade eben noch zum Idol hochgejubelt hatten. Aufstieg und Fall; Schlagzeilen bringt schließlich beides.

Irgendwann ging es nicht mehr. „Das Image war kaputt, der mußte weg aus Landshut“, sagt EV-Manager Max Fedra. Brittig ging in die Zweite Liga zum EC Kassel, dessen Vorstandsmitglied Gerhard Swoboda sagt, daß er „bei uns nie so gespielt hat, wie er hätte können. Man hat gemerkt, der gehört zu einem Spitzenklub in der Bundesliga.“ Dort wollte Brittig keiner haben, der üble Leumund haftet an einem wie Kleister. Er wechselte nach Essen, da haben sie Konkurs angemeldet. Vom Nationalstürmer zum Zweitligaspieler ohne Engagement; keine Frage, der Weg eines Gescheiterten. „Es waren verlorene Jahre“, sagt Christian Brittig.

Gut daß wenigstens ein paar Freunde geholfen haben in der Not, Tobias Abstreiter zum Beispiel, früher auch in Landshut, jetzt bei den Maddogs München. Der hat für Brittig ein gutes Wort bei seinem Präsidenten Eberhard Jülicher eingelegt, zweimal hat man sich getroffen und dann einen Spezialvertrag aufgesetzt, mit mehrfacher Probezeit. Die erste Bewährungsphase war mit Abschluß des Sommertrainings überstanden, danach wurde eine weitere bis Ende Oktober vereinbart. In seinem Sinne sei das gewesen, sagt Brittig, er habe aus der harten Zeit wenigstens „gelernt, daß ich so Vorgaben irgendwie brauche“. Die harte Zeit soll nicht wiederkommen. Christian Brittig geht es jetzt besser. Er lebt in einer festen Beziehung, Alkohol rührt er nicht an. Wenn die anderen was trinken gehen, fährt er „nach Hause, zu meiner Verlobten“.

Nun ist ein Viertel der Saison gespielt, die Maddogs stehen sportlich gut, belegen Platz fünf, einen Punkt nur hinter Tabellenführer Landshut, auch wenn es just gegen den Spitzenreiter am Sonntag eine 1:7-Abreibung setzte – peinlicherweise in eigener, mit 5.800 Zuschauern endlich mal wohlgefüllter Halle. Brittig, meinen Experten, spiele solide bis recht gut. Eberhard Jülicher sagt, daß „seine Freundin ihn gut unter Kontrolle“ habe und er sich „gut integriert“. Worauf der Präsident nun beschlossen hat, daß, obschon die Maddogs jede Mark brauchen und gerne demnächst ein, zwei Stürmer weniger bezahlen möchten, man auf den Christian Brittig nicht verzichten kann.

In der Branche hat es sich auch herumgesprochen, daß Brittig nicht mehr voll, dafür wieder da ist: Max Fedra hat es neulich gleich Gerhard Swoboda weitererzählt. Das hat den richtig gefreut, vor allem, weil „wir uns damals in Kassel auch nicht vernünftig um ihn gekümmert haben. Das Tagesgeschäft, da fällt einem vieles nicht auf.“ Daß er es allen nochmal richtig zeigt, sei „dem Christian zu gönnen, von Herzen“. Das sagen sie alle.