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„Nicht mehr automatisch SPD wählen“

■ Bürgermeister und Gewerkschaftsbosse im Streit / Knackpunkt Wirtschaftspolitik Von F. Marten

Macht sich Henning Voscherau zum Handlanger von „Panikmachern“, die die Debatte um den Standort Deutschland mißbrauchen, um an sozialen Standards zu sägen? Oder sind Gewerkschafter, die eine ökologische und soziale Wirt-schaftspolitik für Hamburg einklagen, „Traumtänzer“, die sich scheuen, die „Wirklichkeit“ des gnadenlosen internationalen Konkurrenzkampfes wahrzunehmen?

Hart prallten am Dienstag abend im Kurt-Schumacher-Haus die Meinungen von Senatsvorsteher Henning Voscherau und den SPD-Gewerkschaftsbossen Rolf Fritsch (ÖTV), Uwe Grund (DAG) und Klaus Mehrens (IGM) aufeinander. Die Gräben zwischen Gewerkschaftsspitze und SPD-Regierung, so zeigte sich auf der Veranstaltung des SPD-Arbeitskreises für Arbeitnehmerfragen (AfA) zur Krise des Verhältnisses von SPD und Gewerkschaften, sind tief wie nie zuvor in der Nachkriegsgeschichte.

Dabei ist der Saal mit fast 200 Besuchern voll wie lange nicht, die Erwartungen sind hoch: „Ich bin in der Hoffnung gekommen, zu erfahren, wie SPD und Gewerkschaften wieder aufeinander zugehen können!“ Doch diese Hoffnung einer Postgewerkschafterin blieb ebenso unerfüllt wie der Wunsch des alten ÖTV- und SPD-Funktionärs Erich Rumpel, der wissen wollte, wo denn noch der wirtschaftspolitische Unterschied von CDU und SPD liegt.

Voscherau läßt keinen Zweifel: Die „Globalisierung der Märkte“ sei zwar eine „schlimme Veränderung“, aber sie finde statt. „Die Probleme nehmen zu, die Fähigkeit der Politik sie zu lösen dagegen ab.“ Er sehe zwar Gefahren für den „demokratischen Staat“ durch sich verändernde „internationale Rahmenbedingungen“. Allenfalls durch „Protektionismus“ sei vielleicht Zeit für einen weicheren Übergang zu gewinnen.

Scharf hielt Klaus Mehrens entgegen: „Wer Politik auf ökonomische Wettbewerbsfähigkeit reduziert“, erliege „dem Zeitgeist “ und beteilige sich an altbekannter „Panikmache“. Deutschlands Wirtschaft sei wettbewerbsfähig, habe sogar Handelsbilanzüberschüsse mit China und den aufstrebenden Ostblockstaaten: nicht obwohl, sondern weil die sozialen und öffentlichen Standards so hoch seien. Die SPD müsse sich klarwerden, wo sie steht: Für soziale Gerechtigkeit oder für Wettbewerbsfähigkeit. Nur wenn sich die SPD programmatisch von unten erneuere und klare Konzepte für einen Dreiklang von sozialer Erneuerung, ökologischer Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit vorlege, könne sie wieder Partner der Gewerkschaften werden. Wer keine „Utopien“ entwickle, sei nicht mehr politikfähig.

Ähnlich attackierte ÖTV-Chef Rolf Fritsch SPD und Senat: „Die Politik muß ihre Gestaltungsfähigkeit zurückgewinnen.“ Die ÖTV bemühe sich, durch innovative Vorschläge (Regionalisierung der Tarifpolitik, Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich), dem Stadtstaat zu helfen, „Modelle für eine neue vernetzte sozial-ökologische Reformpolitik“ zu entwickeln. Politiker aber betrachteten die ÖTV deshalb als „lästige Störenfriede“.

Begriffe wie „Eiszeit“ oder „Entfremdung“ kristallisierten das aktuelle Verhältnis von SPD und Gewerkschaften. Voscherau schaudert's: „Grundstürzendes hat sich geändert. Gewerkschafter wählen nicht mehr automatisch SPD.“

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