: Nicht mehr „Anonym“
■ Ich bin Klein, mein Herz ist rein: Autor von „Primary Colors“ geoutet
Washington (wps/taz) – „Mein Name ist Joe Klein, und ich habe ,Primary Colors‘ geschrieben“: Mit diesem simplen Satz auf einer Pressekonferenz in New York wurde am Mittwoch eines der bestgehüteten Geheimnisse der US-Wahlkampfsaison gelüftet. Autor des unter der Autorenangabe „Anonym“ veröffentlichten Bestsellers „Primary Colors“ – ein Roman über einen Präsidentschaftswahlkampf, dessen Hauptfiguren Bill und Hillary Clinton ähneln – ist Newsweek-Journalist und CBS- Fernsehkommentator Joe Klein.
Die Spekulationen über den Verfasser des Romans dauern seit seinem Erscheinen im Februar an. Der Washington-Insider und als enttäuschter ehemaliger Clinton- Fan bekannte Klein geriet mehrmals in die engere Wahl, dementierte aber immer. Die Wahrheit kam ans Licht, weil ein Mitarbeiter des Verlags Random House eine Kopie des computerausgedruckten Manuskripts mit einer zehn Wörtern langen handschriftlichen Notiz des Autors an einen Antiquar verkaufte. Der nahm es zum Preis von 200 Dollar als „ungewöhnliche und seltene Frühversion“ in seinen Katalog auf. Ein Reporter der Washington Post erfuhr davon und veranlaßte einen Handschriftenvergleich mit möglichen Kandidaten. Ergebnis: Klein war's. Pikanterweise erfuhr die Öffentlichkeit dann auch noch, daß sein Chefredakteur bei Newsweek die ganze Zeit davon gewußt hatte.
Vor der Presse versuchte der geoutete Klein, seine vorherigen Dementis mit Angst vor Kritik und aus Gründen des „Quellenschutzes“ zu rechtfertigen. Doch er zeigte wenig Reue – sechs Millionen Dollar hat er schließlich schon an „Primary Colors“ verdient. Die Erstausgabe ist 1,17 Millionen Mal über den Ladentisch gegangen; im September erscheint das Taschenbuch, und Starregisseur Mike Nichols plant einen Film mit Tom Hanks („Forrest Gump“) und Emma Thompson („Sense and Sensibility“) in den Hauptrollen.
Unklar bleibt, wieso es so lange dauerte, den Verfasser zu outen. Das ehrwürdige britische Times Literary Supplement entschied sich schon vor Monaten für Klein – aufgrund der Häufigkeit von Wörtern im Roman, die mit y enden. Außerdem beginnt das Buch mit den Worten: „I am small“ – Ich bin Klein. D.J.
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