: Nicht länger an der Nase herumführen lassen
■ PUA-Polizei: Ausschuß verklagt Innenbehörde auf Akten-Vorlage
Der Parlamentarische Untersuchungsausschuß (PUA) „Polizei“ will sämtliche Akten von Innenbehörde und Polizei beschlagnahmen lassen, die im Zusammenhang mit dem Hamburger Polizeiskandal stehen. Das haben die Mitglieder im PUA-Polizei gestern abend einstimmig beschlossen. Ein Beschlagnahme-Antrag soll unverzüglich beim Amtsgericht Hamburg eingereicht werden.
Damit will der Ausschuß das Hick-Hack mit der Innenbehörde um die Preisgabe wichtiger Akten beenden. Innensenator Hartmuth Wrocklage hatte sich zunächst geweigert, die Dokumente vorzulegen, wenn diese in Öffentlicher Sitzung beraten werden. Begründung: Datenschutzrechtliche Bedenken, weil es nicht auszuschließen sei, daß Daten über „Schwarze Schafe“ bei der Polizei an die Öffentlichkeit gelangen könnten.
Auf einen erneuten Brief des PUA-Vorsitzenden Karl-Heinz Ehlers antwortete Wrocklage am Dienstag, die Akten seien grundsätzlich geheim, „von Fall zu Fall“ könne der PUA ja eine Freigabe für die Öffentlichkeit gerichtlich einklagen. Ehlers: „Das ist eine Umkehr der Verfahrensherrschaft. Die Frage der Öffentlichkeit steht für uns ganz oben.“ Nachdem der Ausschuß „das Kreuz gerade gemacht“ hat, zeigte sich Ehlers optimistisch: „Dann hoffen wir mal, daß wir mit dem Beschluß weiter kommen.“
Der PUA-Polizei wird seine konkrete Arbeit Anfang Januar aufnehmen. Im Zeugenstand: Ex-Innensenator Werner Hackmann, der im September wegen des von der taz hamburg aufgedeckten Polizeiskandals zurückgetreten ist. Hackmann soll zu ausländerfeindlichen Tendenzen am Revier 11 und beim Einsatzzug Mitte gehört werden.
Wenn es nach dem Willen der GAL geht, soll danach unverzüglich Staatsanwalt Joachim Dreyer vorgeladen werden, um zum Ermittlungskomplex „Polizeiüberfall auf den Journalisten Oliver Neß“ bei der Haider-Kundgebung am 31. Mai auf dem Gänsemarkt „Rede und Antwort“ zu stehen. „Seit sechs Monaten ziehen sich die Ermittlungen hin“, so GALier und Polizist Manfred Mahr. Dreyer könne problemlos zu den Ermittlungen aussagen, ohne daß der PUA zuvor große Aktenberge bewältigen müsse. Mahr: „Wir müssen endlich ein klares Bild über den Verfahrensstand bekommen. Es ist unerträglich, daß Parlament und Öffentlichkeit an der Nase herumgeführt werden.“
An der Nase herumgeführt fühlt sich Mahr derzeit auch von der Senatskanzlei, weil diese sich weigert, eine Kleine Anfrage zu beantworten. Mahr will wissen, welche Schadensersatz-Summen die Stadt wegen Polizeiübergriffen in den vergangenen fünf Jahren leisten mußte. Im ersten Anlauf verweigerte der Senat die Auskunft, weil dieser Komplex Gegenstand des PUA-Polizei sei. Dem zweiten Versuch legte Mahr ein Rechtsgutachten eines Bürgerschafts-Justitiars aus dem Februar 1993 dabei, in dem der Jurist in einem ähnlich gelagerten Fall zu dem Schluß kam, daß das „Informationsrecht des einzelnen Abgeordneten“ nicht beschnitten werden dürfe, auch wenn sich ein Untersuchungsausschuß wenig später der Problematik annehmen werde.
Der Senat lehnte erneut die Beantwortung der Fragen ab, dieses Mal mit dem Zusatz, daß in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit eine Beantwortung der Fragen „mit vertretbaren Aufwand“ nicht möglich sei. Mahrs süffisanter Kommentar: „Da fragt sich der erstaunte Fragesteller, um wieviel Schadensersatzleistungen es sich in den vergangenen Jahren gehandelt haben muß, daß man die nicht innerhalb von acht Tagen durchzählen kann.“ Kai von Appen
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