„Nicht klassisch und nicht schön“

■ Heute beginnt die WM im Eiskunstlaufen in Paris / Daniel Weiß will „Ungewöhnliches zeigen“

„Mein Gott, warum gefällt das den Leuten nur so?“ Daniel Weiß, Senkrechtstarter der Deutschen Eislauf Union (DEU), zeigt sich verblüfft. Doch der 20jährige aus Ingolstadt versteht es ausgezeichnet, das Publikum zu bewegen; sein Vortrag reißt von den Sitzen.

International fast noch Neuling, gelang ihm, dem amtierenden deutschen Vizemeister, mit dem fünften Rang bei den Europameisterschaften in Birmingham die Überraschung schlechthin. Und der Bundeswehrler aus der Sportkompanie Sonthofen behauptet, daß „noch nicht alles von mir zu sehen war“.

Bei den in Paris stattfindenden Weltmeisterschaften will sich Weiß „vorne“ etablieren. Daß sein Auftreten jetzt schon so gefeiert wird, liegt nicht allein an der guten Plazierung von Birmingham. Es ist der erfolgverprechende Weg, der auf Weiß aufmerksam werden läßt: eine Art Aufbruch, Neugestaltung des Eislaufens, ein Wagnis. Weiß erinnert ein wenig an das „Urwald„-Tanzpaar Duchesnay, das im vergangenen Jahr mit einer ungewöhnlichen Kür Aufsehen erregte.

Auch die Kür von Daniel Weiß ist einmalig: „Ich zeige als bislang einziger Läufer kein langsames Teil in meiner Übung.“ Der Sportler, überwiegend bei Karel Faifr in Stuttgart im Training, kann seinen „action„-Stil selbst nur schwerlich beschreiben: „Es ist nichts Klassisches wie bei Norbert Schramm, sondern etwas Modernes. Es ist kein schönes Eiskunstlaufen wie bei Rudi Cerne, sondern abgehackt, aber schön gemacht.“ Seine Darbietungen beinhalten auch alte Sachen, Jazz, spanische Rythmen - Marke Daniel Weiß.

Jubel statt Punkte?

Daniel Weiß spielt mit dem Publikum. „Die Leute sind meine Kampfrichter.“ Je mehr sie auf seine Kür ansprächen, desto eher könnten sie die Notengeber beeinflussen, glaubt er. Das muß freilich nicht immer so sein: Standovationen gab es schon für die französischen Zwillinge Duchesnay, die in Paris nach langer Verletzungspause wieder ihr Glück versuchen wollen; aber das konservative Kampfgericht stellte sich quer, ignorierte das vor Begeisterung tobende Publikum und verwehrte hohe Punktzahlen.

Mit seiner enormen Darstellungskraft schwimmt Weiß, der wie die Duchesnays - vom Oberstdorfer Exiltschechen Martin Skotnicky korreographiert wird, schon ganz vorne mit. Was fehlt ist die Sicherheit in den Sprüngen. „Mindestens fünf Dreifache muß man heute zeigen.“ Weiß benötigt noch eine ganze Menge Stabilität.

Auch sein Weg zu dieser Sportart verlief ungewöhnlich: Als Fünfjähriger spazierte der kleine Daniel an einer Eislaufhalle vorbei. „Ich kannte Eis nur zum Essen“, erinnert er sich, und wollte deshalb unbedingt hinein. Und als er das Laufen sah, faszinierte in das, er kam nicht mehr davon los. Es wurde zu seinem Lebensinhalt, selbst die Freundin aus Oberstdorf hatte dagegen keine Chance: „Ich hatte einfach keine Zeit mehr, war dauernd unterwegs. Schaulaufen, Tourneen, Wettkämpfe - und wenn ich zu Hause bin bedeutet das sechs Stunden täglich in der Eishalle.“

Damit nicht genug: Konditionstraining kommt noch hinzu, die Tanzausbildung bei der „New York City Dance School“ und das Einstudieren eines Salto - „nur für das Schaulaufen“ - bei den Kunstturnern im Leitungszentrum Ruit bei Stuttgart. Schlaf- und Ruhezeiten sind da knapp bemessen, zumal der Single sich um alles selbst kümmert: Einkaufen, Essen, zwei Wohnungen in Schuß halten, und schließlich noch Sponsoren suchen.

Auch hierbei erzielt Weiß kleine Erfolge: Eine Automobilfirma in Ingolstadt stellt dem Kufenkünstler zunächst ein Fahrzeug kostenlos zur Verfügung. Gefunden hat der Ingolstädter jetzt auch einen Manager, den er jedoch als solchen nicht bezeichnen darf: sein Amateurstatus wäre gefährdet. Amateure halten sich keine Manager, sondern „Berater“.

Und Weiß, nebenbei als Sportreporter tätig, wird künftig von dem Marketingbegleiter einer Rundfunkanstalt „beraten“. Seine Vermarktung dürfte keine Schwierigkeiten machen, der Sportler ist selbstkritisch und anpassungsfähig.

Für ausgereift hält er sich noch lange nicht: „In Paris zeige ich nur den aktuellen Stand, nicht, was ich noch alles kann.“

Thomas Schreyer