taz-Leser bezweifeln, dass es den Unionsparteien beim NPD-Verbot um den Schutz ausländischer MitbürgerInnen geht: Nicht die NPD ist das Problem
betr.: „Notwendige Verständigung“, Kommentar von Eberhard Seidel, taz vom 2. 8. 00
Ich muss schon sagen: In dem Bemühen, immer und alles an den Grünen zu kritisieren, geht ihr schon seltsame Koalitionen ein, diesmal mit Ruprecht Polenz, CDU-Generalsekretär.
Dessen Vorwurf an die Grünen, im Kampf gegen den Rechtsextremismus zu versagen, unterstützt ihr. Aber im Folgenden führt der Autor nur Beispiele von SPD-Politikern an (Schily und Schröder) – wo ist da die Kritik an Grün? Könnt ihr nicht zwischen Rot und Grün unterscheiden? Außerdem: Welche Parteien haben die meisten fremdenfeindlichen Anhänger in ihren Reihen? SPD und CDU. Unter den Grünen-Anhängern ist wohl wenig davon zu finden. Welche Partei hat 16 Jahre regiert? Wohl nicht die Grünen. Es ist zwar nett, dass ihr glaubt, dass die Grünen nach noch nicht einmal zwei Jahren die Republik umkrempeln könnten, aber ein bisserl überzogen ist dies schon, gell? Wieso unterstützt ihr nicht ausnahmsweise mal die Grünen, indem ihr zwischen ihnen und der SPD – allen voran dem zunehmend der „Innenministerkrankheit“ anheim fallenden Schily – unterscheidet und die Grünen auch gegen viele in der SPD in ihrem Kampf darin unterstützt, die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl zu verhindern? Usw.
DAWID FRIEDRICH, Brüssel
betr.: „NPD-Jubelfeier zum Auschwitz-Gedenktag“, taz vom 7. 8. 00
Eine rechte Veranstaltung an solch einem Datum ist mehr als verabscheuungswürdig und sollte, wenn irgendwie möglich, verhindert werden.
Andererseits zeigt sich dabei in bestürzender Weise, wie Politiker, speziell der Unionsparteien, jeden nur erdenklichen Vorfall dazu nutzen, eine weitere Einschränkung der Bürgerrechte zu fordern. Mit Rufen nach Verschärfungen von Versammlungsverboten, Videoüberwachung und dergleichen geht es der CDU/CSU bestimmt nicht um den Schutz ausländischer Mitbürger oder auch obdachloser bzw. homosexueller Menschen.
Ich denke, die Union hat hier drei Ziele: Zunächst will man mit Maßnahmen gegen rechte Parteien potenzielle rechtsorientierte Wählerstimmen gewinnen, zum anderen ist das ein weiterer Schritt in Richtung Überwachungsstaat, vor allem aber will man die Sympathie der Wirtschaft sichern. Schließlich werfen rassistische Überfälle von extremen Randgruppen ganz zu Recht ein schlechtes Bild auf Deutschland, während bayrische Bierdemagogie gegen Einwanderer und Homosexuelle seitens der CSU wegen deren wirtschaftsfreundlicher Poltitik gerne von potenziellen Investoren in Kauf genommen wird.
So schlimm der braune Terror ist, es sollte damit begonnen werden, auch die viel verbreitetere bürgerliche Intoleranz zu bekämpfen, wie sie sich in der widerlichen „Kinder statt Inder“-Aktion eines CDU-Politikers und in den alkoholgeschwängerten Hetzreden in bayrischen Bierzelten zeigt. Hier liegt doch eine der großen Brutstätten für Intoleranz, zumindest in größerem Ausmaß als im viel gescholtenen Internet. Die CDU/CSU-Solidarität mit Österreichs rechtlastiger Regierung zeigt eindeutig, was für einen Kurs die Unionsparteien steuern. Wer sich über Springerstiefel, Glatzen und Hitlergruß, ganz zu Recht, erregt, sollte nicht vergessen, auch mal auf das zu achten, was auf nicht wenigen öffentlichen Wahlveranstaltungen der Unionsparteien verbreitet wird. CHRISTIAN GRUPE, Eggenstein
betr.: „Das Leben ist brutal – und kompliziert“, „Eine populistische Forderung“, taz vom 3. 8. 00
Ein wichtiges Argument gegen ein Verbot der NPD habe ich in Eberhard Seidels Kommentar vermisst: die NPD als Vergleichsmaßstab für den Rechtspopulismus der Volksparteien CDU/CSU und SPD.
Dürften die Rechtsextremen fortan nicht mehr offen und frei für ihre Ziele werben, würde noch weniger WählerInnen auffallen, wie reaktionär sich die großen „Parteien der Mitte“ in vielen Bereichen mittlerweile gebärden. Es ist doch kein Zufall, dass ausgerechnet ein Politiker wie der bayerische Innenminister die ultrarechte Konkurrenz von der Bildfläche verschwinden sehen möchte, und ein offenes Geheimnis, dass sich die meisten Fremdenfeinde und Rassisten in diesem Land bei Urnengängen nach wie vor für die Union und auch die SPD entscheiden.
Nicht die NPD und ihre Klientel sind das Problem, sondern jener reaktionäre Teil des Wahlvolkes, der zwar stets für die Volksparteien votiert, von deren Repräsentanten jedoch eine seinem bornierten Weltbild entsprechende Politik erwartet. [...]
UWE TÜNNERMANN, Lemgo
Angesichts fast täglich stattfindender Übergriffe auf Ausländer, Aussiedler und Asylbewerber bin ich erstaunt und bestürzt über die Gleichgültigkeit mit der diese von den Mitbürgern kaum wahrgenommen werden. Kein Aufschrei, keine Gegenmaßnahmen der Zivilgesellschaft prangern diese bodenlose Gesetzlosigkeit an. Mit wie viel Inbrunst dagegen wird gegen das, auch meiner Meinung nach sicherlich längst notwendige Einschreiten von Justiz und Politik gegen Kampfhunde demonstriert. Es ist an der Zeit, Leben und Gesundheit aller Mitmenschen, egal welchen Geschlechts, welcher Hautfarbe und Religion umgehend und umfassend zu schützen. [...] REINHOLD SAGMEISTER, Pfarrkirchen
betr.: „Schily verschärft Waffenrecht“, taz vom 5. 8. 00
Könnte es dem Bundesinnenminister Otto Schily nicht zufällig auffallen, dass man sich mit Gas- und Schreckschusspistolen ziemlich gut gegen Glatzen verteidigen kann? [...]
TIL SCHULZ, Frankfurt/Main
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