: Nicht Kaffee kochen und Akten kopieren
Ab heute wählen Hamburgs Azubis ihre offiziellen VertreterInnen ■ Von Judith Weber
Die Tage verstreichen langsam beim Kaffee kochen und Akten kopieren. Acht Stunden über Schultern gucken, ab und zu ans Telefon gehen – „in manchen Abteilungen bekommen Auszubildende nur solche Aufgaben“, sagt Annett Demmin – zupft an ihrem Sakko und streicht ihre gegelten Haare nach hinten, die ohnehin zu kurz sind, um in die Stirn zu fallen.
Die 20jährige angehende Banckauffrau weiß: Azubis müssen sich nicht als Kaffeemaschine benutzen lassen, und wenn es doch jemand versucht, gibt es ein Gremium, an das die Lehrlinge sich wenden können. In Firmen ab mittlerer Größe kümmert sich eine „Jugend- und Auszubildendenvertretung“ (JAV) um alles, was Männer und Frauen unter 25 im Arbeitsalltag so stört. In Hamburg haben mehr als 200 Betriebe JugendvertreterInnen wählen lassen, schätzt die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG).
Annett Demmin ist seit einem Jahr offizielle Vertreterin der Lehrlinge bei der Hamburgischen Landesbank und „zuständig für 85 Auszubildende“. Die kommen „mit sehr persönlichen Problemen“ zu ihr oder wenn es um die neue Ausbildungsverordnung geht. „Manche haben Ärger mit ihren Eltern“, erzählt Stephanie Westphal, die als JAV-Mitglied der Hamburg-Mannheimer Versicherung quasi Demmins Kollegin ist. „Wir haben auch schon mal jemandem geholfen, eine Wohnung zu finden.“
Oft fungieren die Jugendvertretungen zudem als eine Art Betriebsrat für Lehrlinge. Sie treten etwa für Azubis ein, die in der Probezeit gefeuert werden sollen, und versuchen, „die Betriebe zu bewegen, mehr auszubilden“, beschreibt Westphal. Weil die Zahl der Lehrstellen in vielen Firmen schrumpft, haben die JAVs Nachwuchsprobleme.
Wenn ab heute die neuen Mitglieder gewählt werden, müssen diverse Firmen ohne Jugendvertretung bleiben. Sie haben so viele Ausbildungsplätze abgebaut, daß sie nicht mehr die fünf Jugendlichen zusammenbekommen, die für eine Wahl nötig sind. Westphal und ihre KollegInnen basteln daher an einer Betriebsvereinbarung, die zumindest Filialen der Hamburg-Mannheimer verpflichtet, JugendvertreterInnen aufzustellen.
Denn nötig sind sie, findet die 25jährige. Daß in ihrem Betrieb „diverse Dinge schieflaufen“, wußte die Versicherungskauffrau, kaum daß sie ihre Lehre begonnen hatte. Wechselte sie in eine neue Abteilung, „war nicht klar, was für Anforderungen man erfüllen mußte, um eine gute Beurteilung zu bekommen“, und in welcher Stadt sie den Außendienst kennenlernen sollte, erfuhr sie „arg kurzfristig“.
In Sachen Transparenz habe sich während ihrer vier JAV-Jahre einiges getan, berichtet Westphal stolz. Sie verabschiedet sich nach den jetzigen Wahlen aus der Jugendvertretung. Mit 25 ist Schluß, schreibt das Betriebsverfassungsgesetz vor – leider, findet Thomas Kammigan, ebenfalls 25, der seit zwei Jahren die Azubis bei der Hamburger Sparkasse vertritt. „Aber ich stehe schon auf der Nachrückerliste für den Betriebsrat.“
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