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■ Nice PriceIrgendwie clever

Der Zuschauerandrang war eher bescheiden, als der Hamburger Privatkanal premiere im Rahmen der diesjährigen „Cologne Conferenz“ erstmals seinen Preis für Fernsehdokumentationen verlieh. Und die Behauptung, das Pay-TV habe sich hier gleich grandiose Verdienste um die Errettung des Dokumentarfilms erworben, wäre sicherlich auch übertrieben. Das Ganze war eher ein Beispiel für cleveres Marketing, dem man gleichwohl die Redlichkeit nicht absprechen konnte.

Bei der Zusammensetzung der Jury hatte man sich der Mitarbeit des Grimme-Institutes versichert. Hauseigene Produktionen waren vom Wettbewerb konsequent ausgeschlossen. Und an den drei preisgekrönten Dokumentationen, die von 170 eingereichten schließlich übrigblieben, ist wenig auszusetzen. Ließe sich über die Qualitäten von Martin Lettmayers Reportage „Verschlußsache Atomtod“ und Juliane Schuhlers Porträt „Amadeo R. – Heimweh nach Selb“ vielleicht noch streiten, geht der Hauptpreis für „Herzfeuer“, Mischa Popps und Thomas Bergmanns Reise durch die Wunderwelt der deutschen Schlafzimmer, zweifellos in Ordnung. Und zur Cleverness gehört schließlich auch, daß die künftig jedes Jahr stattfindende Kür für premiere ein überaus preiswertes Unternehmen ist. Die 16.000 Mark Preisgeld kann man wahrscheinlich locker aus der Portokasse abzweigen, und die 200.000 Mark Produktionshilfe, die mit dem Hauptpreis verbunden sind, machen nicht nur Sinn in Sachen Filmförderung, sondern bescheren dem Sender darüber hinaus eine neue Dokumentation, die er ohnehin hätte produzieren oder kaufen müssen. Kopfzerbrechen könnte dieser Preis allenfalls der ARD bereiten. Denn bei den preisgekrönten Filmen handelt es sich ausschließlich um Produktionen von ARD-Anstalten. Wo deren PR-Abteilungen sonst keine Skrupel haben, selbst die Verleihung eines Karnevalsordens an einen ihrer Angestellten zu feiern, stehen sie nun unversehens vor dem Problem, einen untadeligen Preis zumindest erwähnen zu müssen, hinter dem ein Sender steht, der zu großen Teilen ausgerechnet Kirch und Bertelsmann gehört. Eine dumme Sache, das.Reinhard Lüke

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