piwik no script img

New Heroes on the Block

„Einmal ist es ausgefallen, und einmal mußte ich in die Badewanne.“ Sonst hat die achtjährige Martina „Knight Rider“ immer gesehen. Erwachsene mögen „Knight Rider“ nicht kennen — Kinder können sich diese Bildungslücke nicht leisten. „Knight Rider“ ist der absolute Top-Star der Jüngsten unter dem Fernsehpublikum. TV-Forscher der Uni Münster haben untersucht, warum Kinder von diesem „amerikanischen Mist“ hellauf begeistert sind, während pädagogisch wertvolle „Bettkantengeschichten“ sie vollkommen kalt lassen.

Michael Knight fährt ein schwarzes Auto und erlebt fortlaufend haarsträubende Abenteuer. Er läuft in RTLplus und ist bei den Kids total in. Knight Rider rangiert noch vor Batman (Sat.1), und die Sesamstraße (ARD/III) kann ihm schon gar nicht das Super-Benzin reichen. Wehe dem Kind, das eine Folge verpaßt. Es kann in der Schule nicht mitreden. Eltern begreifen das nicht. Sie neigen eher dazu, ihren Sprößlingen „diesen amerikanischen Mist“ zu verbieten.

Ob das gut ist, bezweifeln Wissenschaftler der Universität Münster. In einem Forschungsprojekt über die Fernsehgewohnheiten im Kindergarten- und Grundschulalter haben sie 200 Jungkonsumenten befragt und in der folgenden Analyse erforscht, was Kinder an Bildschirmhelden fesselt. Dabei stellte sich Erstaunliches heraus, so zum Beispiel, daß die jüngsten keineswegs „sinnlos vor der Flimmerkiste rumgammeln“, wie es „die Alten“ sähen. „Sie suchen vielmehr Hilfestellung, um eigene Probleme besser bewältigen zu können“, erkannten die TV- Forscher. „Die allmächtigen Helden sind attraktive Identifikationsfiguren, die Kindern über das Sich-klein- Fühlen, das Ohnmächtigsein in der Erwachsenenwelt hinweghelfen können.“

Es sei Eltern und Erziehern daher zu raten, „die Bedeutung der Actionserien für Kinder zu erkennen und zu akzeptieren“. Dies bedeute nun nicht Fernsehen wahllos und total. Erwachsene aber sollten sich durchaus über das Programmangebot kundig machen. Sie sollten die Serien nicht in Bausch und Bogen verdammen, sondern gemeinsam mit den Kindern auswählen.

Projektleiterin Ingrid Paus- Haase, die über die „(un-)heimlichen Kinderprogramme des Fernsehens“ unterdessen ein Buch herausgegeben hat (Neue Helden für die Kleinen, Lit Verlag Münster/Hamburg 1991), verdeutlicht: „Mit der Macht und der Fähigkeit, immer eine Lösung für ein Problem zu haben — und sei sie noch so trivial —, kommen die Actionserien dem kindlichen Wunsch entgegen, die eigene Schwäche zu überwinden.“

Der Knight Rider oder der Sechs- Millionen-Dollar-Mann, die alle Herausforderungen meisterten und dabei das Böse besiegten, helfen also den Kindern, „ihre Ängste stellvertretend an einem Vorbild abzuarbeiten“. Das gelte auch, selbst wenn — so ein anderer Befund der Analyse — dessen Abenteuer oft nichts mit der Wirklichkeit des kindlichen Alltags zu tun hätten. Allmachtsphantasien der Kinder würden „Wirklichkeit, wenn sich der unbedarfte Prinz Adam dank Zauberschwert zum unbesiegbaren He-Man wandelt“, schreibt Paus-Haase.

Was die Kinder darüber hinaus fessele, sei die Technik: Der Kampfhubschrauber Airwolf zum Beispiel und seine gefährlichen Waffen, das fliegende Auto des Knight Riders oder Batman und seine Supertricks. „Hinzu kommt jede Menge Gewalt“, haben die Wissenschaftler auch feststellen müssen, „die Gewalt des guten Helden und die des bösen Schurken“.

Ein edler Ritter im Superauto (100 Punkte) und ein agiler Fledermausmann (96) sind also die TV-Lieblinge der Kinder. Mit großem Vorsprung verweisen sie Kindersendungen wie Sesamstraße (69), Ducktales (59), Alf (52), die Schlümpfe (51), Die Sendung mit der Maus (50), Pippi Langstrumpf (12) und Pumuckl (7) auf die hinteren Plätze. Auch die Fußball-Weltmeisterschaft 1990 (11) — übrigens gleichauf mit der Schwarzwaldklinik — läßt „die frühe Jugend“ kalt. Weit davor rangieren dagegen die brutalen Hubschrauber- Storys des Airwolf, gefolgt von Millionen-Dollar-Mann und -Frau, von A-Team und Hulk.

Die beliebtesten Sendungen gehören eindeutig zum Actiongenre, wie die Publizisten belegen. Der Gegensatz zu den eigentlichen Kindersendungen mit pädagogischem Hintergrund könnte krasser nicht sein: Bettkantengeschichten beispielsweise, eine von Fernsehmachern und Kritikern gleichermaßen geschätzte Sendung, rangiert auf Listenplatz 45. Sendungen müßten eben „lustig und spannend“ sein, fanden die befragten Kinder. Sie lieben die billigen Reißer aus Amerika und Japan. Die Fernsehhelden, die sie anhimmeln, sind keineswegs Kinder, sondern durchweg Erwachsene. Ob aus Fleisch und Blut oder als Comic-Figur, ist egal: Stark, schön und erfolgreich müssen sie sein, wie sie selbst gern wären. Rolf Liffers/dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen