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Archiv-Artikel

Neuseelands Maori sind zornig

Premierministerin Helen Clark provoziert mit einer geplanten Landrechtsänderung den Widerstand der neuseeländischen Ureinwohner. Ihr Protest könnte Clarks Regierung zu Fall bringen, doch die Grünen stehen als Koalitionspartner schon bereit

AUS MELBOURNEBORIS B. BEHRSING

In Neuseeland droht die wachsende Wut der Maori über einen Gesetzentwurf die Labor-Premierministerin Helen Clark zu Fall zu bringen. Das Gesetz sieht vor, Küstenland und Meeresböden zu Staatsbesitz und Kronland zu erklären, das nach Meinung der Maori ihnen gehört. Einige Maori-Abgeordnete sind wegen des umstrittenen Entwurfs bereits aus der Labor-Partei ausgetreten oder drohen damit. Dies könnte Labor die knappe Parlamentsmehrheit kosten.

Der Zorn der Maori entlud sich gestern in der Hauptstadt Wellington in einem Marsch zum Parlament. Trotz Sturms und Regens kamen 15.000 Menschen aus allen Landesteilen und legten den Verkehr lahm. Es war Neuseelands größte Demonstration seit den Landrechtsmärschen 1975. Unter ihren schwarz-roten Fahnen mit der gelben Sonne führten traditionell kostümierte und tätowierte Maori Kriegstänze auf und sprachen auf Transparenten von „legalisiertem Diebstahl“.

Der Zorn der Maori geht darauf zurück, dass ihrer Meinung nach die „weiße“ Regierung mit der geplanten Gesetzesänderung gegen den historischen Friedensvertrag von Waitangi verstößt. Dieses 1840 von den britischen Eroberern und 500 Häuptlingen der polynesischen Ureinwohner unterzeichnete Abkommen sicherte den Maori den Besitz ihrer Ländereien, Wälder, Fischgründe und die Aufrechterhaltung ihrer Kultur zu. Dafür verzichteten sie auf ihre Souveränität. Die Maori sehen sich gemäß Waitangi-Vertrag als traditionelle Besitzer der gesamten Küstenlinie. Und weil auch die assoziierte Ministerin für Maori-Angelegenheiten, Tariana Turia, dies so sah, wurde sie von Premierministerin Clark kurzerhand des Amtes enthoben.

Der Streit innerhalb der Labor-Fraktion lässt die konservative oppositionelle National-Partei Morgenluft wittern, zumal sie in den letzten Meinungsumfragen Labor um zwei Prozent voraus ist. Der Oppositionsführer und frühere Zentralbank-Chef Don Brash („Wir haben uns bereits auf eine vorgezogene Wahl eingestellt.“) hatte bereits am Dienstag mit einem Misstrauensantrag versucht, Clark zu stürzen. Labor konnte das noch mit 62 gegen 58 Stimmen verhindern.

Sollte sich die Krise weiter zuspitzen, stehen die Grünen schon als Koalitionspartner bereit, um Clark zu stützen. Allerdings würde diese Hilfe, wie Grünen-Chef Rod Donald erklärte, Labor Konzessionen kosten.

Clark hat bei vielen Landsleuten Sympathien verloren, als sie sich entschied, die Protestteilnehmer nicht zu empfangen. Gestern blieb sie dem Parlamentsgebäude auffällig fern, bezeichnete die Organisatoren des Protests als „Hasser, Zerstörer und Radikale“ und bemerkte zudem, dass das Schaf Shrek, das vor einigen Tagen nach sechsjährigem Einsiedler-Dasein in den Bergen erstmals geschoren wurde, bessere Gesellschaft sei als die Protestler. Clark argumentiert, das Gesetz berücksichtige das Interesse des ganzen Landes und nicht nur einer Gruppe. Doch es geht vor allem darum, Entschädigungen zu vermeiden. Heute will das Parlament das Gesetz diskutieren.