: Neuliche ... in meinem Eiscafe
NEULICH...
... in meinem Eiscafe
„Huch“, sagte der Passant, „ist das kühl heute...
...nur 28 Grad,“ und ging vorbei. Bei 28 Grad kann ich mich wieder hineintrauen. In mein Cafe. In meinem Cafe sitzt man nicht draußen. Da ist Italien. Da sitzt man drinnen, in einer Art Schleuse. Die geht bis hinten zu der Tür mit dem Schild „attenti al cane.“ Ist aber kein Hund da. Nie. Der dreischweifige Propeller surrt. So eine Frisur wie die Frau im Fenster hätte ich auch gern. Ein Topf, mit sonem kleinen Zacken vor dem Ohr. Das Tiramisu ist zu warm und zieht nicht hoch. Dafür riecht es aber heute auch nicht nach der Geschirrspielmaschine. Wenn Toni die aufmacht, flutet warmer Mief. Überhaupt, warum kenne ich niemand hier heute. Eigentlich kennt man hier an jedem Tisch zumindest eine/n. Und von dem Stammtisch, der sich werktags nach hier versammelt, meist mehrere. Aber die Braungebrannte mit dem Zöpfchen, die ab morgen wieder sprechstundenhelfen muß, hat gestern schon gesagt, daß es zu heiß ist für's Cafe. Die Baisers stehen neben dem Zitronenkorb. Das ist wie immer. Es zischt von der Gaggiamaschine für den Capuccino . Ob es ernst ist, fragt die Bunte, die Boris (der mit der Mafiabrille) mit einer barbusigen Stephanie von Monaco telefotografiert hat. Toni ist sauer heute. Toni ist immer da. Neulinge im Cafe erkennt man daran, daß sie Toni nicht gleich verstehen. Das liegt an den Zähnen. Toni beweist, man braucht keine. Guten Tag, Herr (habe ich nicht verstanden) , sagt Toni. Der Herr ist ein alter Herr. Auch die Dame, die mit den gefalteteten Händen unter dem Zeitungsständer in der Ecke sitzt, ist alt. Die trinkt einen Tee hier, nanu. Die Knackige mit der Schirmmütze, die sonst hier immer die Aschenbecher für Toni mitausleert, obwohl sie das nicht soll, ist auch nicht da. Und der stoische Insektenforscher aus dem Lokalfernsehen auch nicht. Ach so, der sitzt nie hier, schade eigentlich. Es ist schön in meinem Cafe.
Uta Stolle
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen