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NeuköllnLinksextreme spalten Koalition

Das Bündnis von SPD, Grünen und Linken im Bezirk zerbricht an einem Streit über die Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus.

Die SPD hat die Koalition mit den Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Neukölln aufgekündigt. "Uns war wichtig, dass die Bezirksverordnetenversammlung geschlossen dem Rechts- und Linksextremismus entgegentritt", sagt der SPD-Bezirksvorsitzende Fritz Felgentreu. Die Grünen werfen der SPD vor, sie habe nicht ausreichend zwischen beiden Phänomenen differenzieren wollen. "Wir verurteilen die Gewalt von Linksextremisten, aber man kann Farbbeutelwürfe nicht in einen Topf schmeißen mit der dramatischen Gefahr, die von Neonazis ausgeht", so der Grünen-Bezirksverordnete Bernd Szczepanski. Die verbleibenden anderthalb Jahre bis zur nächsten Wahl wird es in Neukölln nun - wie in vielen anderen Bezirken - wechselnde Mehrheiten geben.

Anfang des Jahres wurden auf den Rollladen des Bezirksbüros der Grünen Neonaziparolen gesprüht, und das Fenster eines Büros wurde eingeworfen, in dem sich linke Gruppen trafen. Die Grünen formulierten eine Resolution gegen die Anschläge.

Die SPD wollte, dass auch Gewalttaten von Linksextremisten verurteilt werden, die Oberklasse-Autos angezündet, das Büro eines Quartiersmanagements verwüstet und dessen Mitarbeiter bedroht hatten. "Es ging in dem Beschluss um die gerade stattfindende Gewalt hier im Bezirk, und die geht derzeit von Linksextremisten mindestens so stark aus wie von Rechtsextremisten", erklärt der SPD-Fraktionsvorsitzende Lars Oeverdieck.

Verhandlungen über eine Konsensfassung scheiterten, am Ende schaukelte sich der Streit quasi von selbst weiter hoch. Beide Seiten beteuern, dass die Koalition sonst eigentlich noch funktioniert habe. Jetzt werden die Fraktionen je nach Sachfrage unterschiedliche Mehrheiten suchen - wenn es sich anbietet, auch wieder mit SPD und Grünen, heißt es von beiden Seiten. "Aus dem Koalitionsvertrag haben wir ohnehin das meiste abgearbeitet", so Oeverdieck.

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8 Kommentare

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  • TS
    Thomas Sch.

    Hallo, ts-dagewe

    unser Grundgesetz bestimmt in Artikel 20 (4), daß jederman das Recht zum Widerstand hat, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist. Und da man Hitler bekanntlicherweise nicht durch bloses Zureden von seinen Wahnsinnsvorhaben hat abbringen können, ist Georg Elsers Tat selbstverständlich eine Widerstandstat im Sinne des Gesetzes. Was die Angehörigen der sieben Toten und sechzig Verletzten möglicherweise anders gesehen haben. Aber niemand kann doch ernsthaft behaupten, daß der Kampf gegen die Gentrifizierung nur durch das Abfackeln von Autos möglich ist. Hallo ? Da ist doch ganz klar ganz schnell die Grenze einer Widerstandstat übersprungen. Gerne lerne ich aber von Ihnen dazu, wo eine saubere juristische Argumentation „bulshit“ sein könnte. Ihrem Rechtsverständnis nach wäre also ein Bäcker, der seine Brötchen auch an Rechtsradikale verkauft, als Mittäter oder als Unterstützer zu belangen ? Das können Sie doch nicht im Ernst meinen.

  • TS
    Thomas Sch.

    Hallo, ts-dagewe,

    unser Grundgesetz bestimmt in Artikel 20(4), daß jederman das Recht zum Widerstand hat, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist. Und da man Hitler bekanntlicherweise nicht durch bloses Zureden von seinen Wahnsinnsvorhaben hat abbringen können, ist Georg Elsers Tat selbstverständlich eine Widerstandstat im Sinne des Gesetzes. Was die Angehörigen der sieben Toten und sechzig Verletzten möglicherweise anders gesehen haben. Aber niemand kann doch ernsthaft behaupten, daß der Kampf gegen die Gentrifizierung nur durch das Abfackeln von Autos möglich ist. Hallo ? Da ist doch ganz klar ganz schnell die Grenze einer Widerstandstat übersprungen. Gerne lerne ich aber von Ihnen dazu, wo eine saubere juristische Argumentation „bulshit“ sein könnte. Ihrem Rechtsverständnis nach wäre also ein Bäcker, der seine Brötchen auch an Rechtsradikale verkauft, als Mittäter oder als Unterstützer zu belangen ? Das können Sie doch nicht im Ernst meinen.

  • T
    ts-dagewe

    in dieser diskussion stimmen nach meinem dafürhalten die relationen nicht. ich finde es bedenklich, dass sich die spd eines klassischen cdu-argumentationsmusters bedient, welches diese vorzugsweise bemüht, um politisches vorgehen der demokratischen parteien gegen rechts zu verhindern.

    klar, es ist nicht schön, dass es linke gibt, die teure autos angezünden, weil sie gegen gentrifizierung sind. und das quartiersmanagement im schillerkiez hat es auch nicht schön gefunden, dass ihr büro farbbeutel abgekriegt hat. und es soll nachvollziehbar sein, daß diese dinge politisch gleich zu bewerten wären mit der rechten gewalt, der seit 1990 - ich kenne die zahlen nicht genau - mehr als hundert menschen zum opfer fielen? das lässt aber ungünstige schlüsse bezüglich der politischen urteilsfähigkeit zu.

    frage an thomas sch.: war georg elser ein mörder oder hat er widerstand geleistet? nach deiner argumentation war er ein böser krimineller. wenn es leute gibt, die völllig anderer meinung sind, dann deshalb, weil er versucht hat, hitler von seinen massenmörderischen plänen abzuhalten, und sei es mit gewalt. was zeigt das? so eine saubere juristische argumentation, wie du sie pflegst, ist, je nach politischen kontext, manchmal reiner bullshit.

  • TS
    Thomas Sch.

    Lieber Schwarz, lieber Günter, Sie beide haben mich offensichtlich nicht verstanden. Selbstverständlich bin ich -wie jeder normal denkende Mensch- gegen Faschismus und gegen Faschisten. Ich bin mit einer dunkelhäutigen Ausländerin verheiratet und ich wäre ja mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn ich gegen meine eigene Familie wäre. Wir Menschen haben lange dafür gekämpft, daß jeder Mensch gleich behandelt wird. Daß gilt für, aber auch gegen uns. Frau Liebknecht hat uns zurecht ins Stammbuch geschrieben, daß Freiheit immer zuerst die des Andersdenkenden ist. Und der Andersdenkende -ob rechts, ob links- ist, solange er sich im Rahmen des Gesetzes bewegt, zu akzeptieren, so schwer uns das auch fällt. Allein für´s Rechtssein dürfen wir niemanden ins Gefängnis stecken. Länder, in denen man seiner Gesinnung wegen eingeknastet wird, gibt´s doch wohl schon genug.

  • G
    Günter

    @Thomas:

     

    Faschisten sind eine Rasse?!

    Der fundamentale Unterschied zwischen rassistisch motivierten Übergriffen und linken Aktionen, die sich gegen Nazis richten ist doch folgender:

    Juden, Schwarze, Sinti&Roma etc können sich nicht aussuchen, als wer/was sie geboren werden und werden weltweit trotzdem verfolgt; Faschisten entscheiden selbst, dass sie einer menschenverachtenden Ideologie hinterherrennen und müssen sich deshalb auch nicht wundern, wenn sie tätlichen Angriffen ausgesetzt sind.

  • S
    Schwarz

    "Dieser Auffassung wohnt nach natürlich die Vorverurteilung inne, daß der Rechte die Gewalt verdient hat. Das ist natürlich auch eine Art von Rassismus. Die "Rasse Rechts"."

     

    Das ist ausgemachter Blödsinn. Neonazis haben sich ihre menschenverachtendeIdeologie selbst gewählt, im Gegensatz zu einem Großteil ihrer Opfer, der es allein aus dem Umstand heraus wird, dass Neonazis ihnen bestimmte Attribute andichten oder solche zum Anstoß nehmen, auf die die Betroffenen keinerlei Einfluss haben. Sowas muss bekämpft werden und das ist ganz sicher kein Rassismus!

     

    "Natürlich ist der beschriebene (rechte) Angriff eine Straftat, die geahndet werden muß. Nur ist es theoretisch ja auch vorstellbar, daß Rechtsradikale Autos anzünden. Wie wollen Sie denn da dasselbe Delikt einmal eine vermeintlich politische Aktion nennen und andermal einen rechtsradikalen Anschlag? Neinneinnein. So geht das natürlich nicht."

     

    Allein schon die Wahrl des Begriffs "rechtsradikaler Anschlag" impliziert, dass es sich um eine "rechtspolitisch" motivierte Aktion handelt, also politisch. Daher fällt mir zu obigem Kommentar auch nichts mehr ein, weil die getroffene Aussage schlicht jeder Grundlage entbehrt.

     

    All das ändert aber nichts daran, dass zwischen rechten und linken Motiven unterschieden werden muss. Auch wenn Aktionsformen sich manchmal ähneln. Aber wenn es dem entpolitisierten Leser plötzlich egal ist, wieso jemand etwas tut, sondern nur noch im Mittelpunkt steht, was er tut, dann können wir die Gleichung "schlagender Antifa" = "schlagender Neonazi" auch noch erweitern um "schlagender Polizist"... merkt ihr noch was?

  • TS
    Thomas Sch.

    In vielen Blogs wird die These vertreten, daß Gewalt, die sich gegen vermeintlich Rechte richtet, legitim ist. Dieser Auffassung wohnt nach natürlich die Vorverurteilung inne, daß der Rechte die Gewalt verdient hat. Das ist natürlich auch eine Art von Rassismus. Die "Rasse Rechts". Es muß bei der Beurteilung einer Tat immer um die Tat an sich gehen und nicht um die Auffassung des Täters. Natürlich ist der beschriebene (rechte) Angriff eine Straftat, die geahndet werden muß. Nur ist es theoretisch ja auch vorstellbar, daß Rechtsradikale Autos anzünden. Wie wollen Sie denn da dasselbe Delikt einmal eine vermeintlich politische Aktion nennen und andermal einen rechtsradikalen Anschlag? Neinneinnein. So geht das natürlich nicht.

  • N
    nk44

    Bevor Artikel geschrieben werden, sollte man sich informieren. Wo wurden in Neukölln Oberklassen-Autos angezündet ,davon ist in keinem Text der SPD die Rede. Was heisst hier "Verwüstung eines Qm-Büros", es geht allenfalls um "Hausfriedensbruch", es wurde Konfetti verstreut, Plakate geklebt und ein vergammelter Blumenstrauss an Mitarbeiterinnen überreicht. Nachzulesen in diversen Presseartikeln. Verwüstungen sehen anders aus. Das reale Problem der Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus und überhaupt der Unsinn der Extremismustheorie, die die SPD hier praktisch anwendet, werden in dem Artikel überhaupt nicht angesprochen.