■ Neues vom ersten privaten Knacki-Eskortdienst in England: Die berühmten Hühner von Channel 4
London (taz) – Der erste private Gefangenen-Eskortdienst Englands, „Group 4“, hält die Londoner Regierung weiterhin in Atem. Seit das Unternehmen am 5.April in den englischen Midlands für den Transport der Gefangenen zwischen Gericht und Knast verantwortlich ist, sind mindestens acht Häftlinge abgehauen oder versehentlich freigelassen worden (s. Wahrheit v. 24.4.). Darüber hinaus beschweren sich die Richter darüber, daß die Angeklagten – sofern sie sich noch nicht aus dem Staub gemacht haben – ständig zu spät vor Gericht erscheinen. Der Tory- Vorsitzende Norman Fowler gerät ebenfalls immer stärker ins Kreuzfeuer der Kritik. Er saß nämlich drei Jahre lang im Aufsichtsrat der holländischen Eskortfirma und ist heute bei ihr angestellt – wegen „seiner geschäftlichen Erfahrung, und nicht wegen seiner politischen Kontakte“, behauptet die Firma.
Am vergangenen Dienstag passierte dem Unternehmen nun ein weiteres Mißgeschick: Der Untersuchungsgefangene James Hogg wurde sturzbesoffen und bewußtlos in einem Gefangenentransporter gefunden. Seine Aufpasser sollten ihn eigentlich ins Wolds-Gefängnis, einen Privatknast, überstellen. Dort gaben sie zwar den Haftbefehl ab, vergaßen den Gefangenen jedoch im Transporter. Erst als sie bei ihrer nächsten Station, dem Gefängnis von Hull, ankamen, wurde er gefunden. Hogg liegt seitdem auf der Intensivstation, und die Regierung hat schon wieder eine Untersuchung eingeleitet. John Bates, ein Sprecher von „Group 4“, sagte: „Wir wissen nicht, ob Drogen oder Alkohol im Spiel waren, weil das eine medizinische Angelegenheit ist.“
Wenige Tage später ging abermals ein Gefangenentransport schief. Fünf jugendliche Untersuchungshäftlinge sollten eigentlich vom Moorlands-Gefängnis bei Doncaster zum Gericht in Bradford gebracht werden. Kurz vor dem Ziel begannen die Gefangenen, den Transporter wie ein Boot zu schaukeln, so daß er nicht durch die schmale Toreinfahrt des Gerichtsgebäudes fahren konnte. Die „Group 4“-Angestellten trauten sich nicht, die Tür des Transporters zu öffnen, weil sie zu Recht befürchteten, daß ihnen die Gefangenen dann abhanden kommen würden. Also fuhren sie wieder zurück nach Moorlands. Dort wurden sie die Knackis jedoch auch nicht los, weil sie vergessen hatten, sich neue Haftbefehle zu besorgen. So machten sie sich erneut auf den Weg nach Bradford, und diesmal hatten sie Glück: Die Jugendlichen hatten vom Autofahren die Schnauze voll und ließen sich ins Gerichtsgebäude geleiten. Die Regierung – man ahnt es bereits – hat eine Untersuchung angeordnet.
Endgültig zum Gespött des Landes hatte sich „Group 4“ bereits vor zwei Wochen gemacht, als ein streunender Fuchs drei berühmte Hühnchen fraß: Die Tiere waren bis zu ihrem tragischen Tod regelmäßig in der Sendung The Big Breakfast von Channel 4 aufgetreten. „Group 4“ war für ihren Schutz zuständig. Ralf Sotscheck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen