Neues kubanisches Reisegesetz: Urlaub, Geld verdienen, auswandern
Nun gilt das neue kubanische Reisegesetz. Landesweit wurden 200 Büros eingerichtet, um dem Ansturm der Reisewilligen zu begegnen.
BERLIN taz | Nora Núñez hat die Weichen schon gestellt. Die für eine Uni-Zeitung in Santiago de Cuba Verantwortliche hat ihren Reisepass längst beantragt und freut sich, dass er in zwei Wochen fertig sein soll. „Nur fünfundfünfzig Pesos convertibles werde ich zahlen müssen, statt der einhundert (75 Euro), die es ab morgen kostet“, so die Frau Anfang fünfzig. Spätestens in zwei Monaten will sie in Urlaub fahren – außerhalb Kubas.
Am 14. Januar wird nicht nur der neue Tarif eingeführt, sondern auch das neue Reisegesetz, auf das Kubas Bevölkerung jahrelang gewartet hat. Dann ist Schluss mit der Beantragung einer offiziellen Ausreisegenehmigung, die in den 1960er Jahren eingeführt wurde. „Ohne dieses Papier brauchte man oder frau sich erst gar nicht dem internationalen Flughafen José Martí von Havanna zu nähern“, erklärt Gabriel Calaforra.
Der ehemalige Botschafter Kubas in Dänemark kennt sich aus mit der lästigen Prozedur, die nötig ist, um die Insel zu verlassen. Nun sitzen in seiner Straße in Havannas Altstadt zum ersten Mal gleich mehrere Nachbarn auf gepackten Koffern. „Die Leute sind enthusiastisch, wollen reisen. Aber viele werden es ohnehin nicht können, denn wer hat schon das Geld fürs das Ticket und das Visum“, meint der ehemalige Diplomat, der der Regierung kritisch gegenübersteht.
Doch der Reiselust der Kubaner tut das keinen Abbruch. Die Migrationsbehörden haben sich auf einen Ansturm vorbereitet. Landesweit werden zweihundert Büros geöffnet, um den Ansturm der Anträge auf Reisepässe bewältigen zu können. Norberto ist so einer, der reisen will und dafür sein Auto verscherbelt hat. Rosa hat ihr Haus verkauft und wartet nur auf ihr Reisedokument, um der Insel den Rücken zu drehen. Neu anfangen in Costa Rica will sie. Die Liste der Länder, die kein Visum von den Kubanern verlangen, kostet 2 Pesos auf den Straßen von Havanna.
Wird die neue Freiheit für alle gelten?
„Das Reisefieber geht um“, erklärt Iván García. Der unabhängige Journalist hat mit vielen Nachbarn gesprochen, die für ein paar Monate bis zwei Jahre ins Ausland wollen, um dort zu arbeiten. „Mit Devisen in den Taschen wollen sie dann zurückkommen, um sich hier etwas Besseres leisten zu können“, so sein Eindruck. Reisen, Auswandern auf Zeit oder auch für immer, so heißt die Devise.
Erstmals seit Jahrzehnten dürfen auch Ärzte reisen. Sie standen genauso wie Ingenieure und Angehörige zahlreicher anderer akademischer Berufe auf dem Index. Die teure Ausbildung müsse sich erst für das Land amortisieren, lautet das Argument der politischen Führung. Doch seit sich eine Gruppe von Klinikdirektoren am 5. Januar mit Gesundheitsminister Roberto Morales traf, ist alles anders. Nun gilt die neue Reisefreiheit auch für Träger weißer Kittel.
Für die Freundin von José Camilo López, eine Kinderärztin, ist dies eine enorme Erleichterung, denn nun hat sie die Chance, ihren regelmäßig reisenden Mann mal zu begleiten. Er arbeitet in einer kubanischen Kulturinstitution und weiß seine Reiseprivilegien zu schätzen, verweist aber auch auf die Untätigkeit des großen Nachbarn. Die USA haben trotz neuer Reisefreiheit in Kuba ihre Visa- und Einreisebestimmungen beibehalten, und das Anwerbungsprogramm für kubanische Ärzte für Hilfsmissionen in Haiti oder Venezuela läuft weiter.
Allerdings ist noch nicht klar, wie die kubanischen Migrationsbehörden im Einzelnen agieren. Wird die neue Freiheit für alle gelten? Das Gesetz lässt den Behörden durchaus die Möglichkeit, Reisedokumente zu verweigern – im nationalen Interesse, aus Gründen der nationalen Sicherheit und so fort. Bei Militärs und hoch qualifizierten Spezialisten wird wohl Schluss sein mit der Reisefreiheit. Sie gilt aber auch für einen weiteren Personenkreis nicht, wie der Reiseantrag von Rosa María Payá zeigt.
Die Tochter des international bekannten, im Juli 2012 tödlich verunglückten Dissidenten Oswaldo Payá erhielt keine Reiseerlaubnis für die Teilnahme an einem Seminar in Chile. Auch anderen Kubanern könnte es so ergehen.
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