Neues aus dem "Sachsen-Sumpf": Zeugin belastet Justiz
Aussagen einer Frau, die als junges Mädchen zur Prostitution gezwungen wurde, erhärten den Korruptionsverdacht gegen Justizmitarbeiter in Sachsen.
Die Vorgänge um das 1993 ausgehobene Leipziger Minderjährigen-Bordell "Jasmin" spielen eine zentrale Rolle in einem als "Sachsen-Sumpf" 2007 bekannt gewordenen Dossier des sächsischen Verfassungsschutzes. Der Zuhälter Michael Wüst hatte 2000 gesagt, er sei nur zu einer auffallend niedrigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil er zugesagt habe, Prominente in der Verhandlung zu schützen. Die Sächsische Staatsregierung hatte noch 2007 alle Korruptionsvorwürfe für nichtig erklärt. Die Dresdner Staatsanwaltschaft bestätigte bald darauf diese Auffassung. MIBA
DRESDEN taz Vor dem Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landtages hat eine ehemalige Zwangsprostituierte den Verdacht erhärtet, Angehörige der Justiz könnten doch in den sogenannten Sachsen-Sumpf verwickelt sein. Bereits bei früheren Vernehmungen hatten sie und andere Mädchen auf Fotos bekannte Leipziger Persönlichkeiten als Freier im Kinderbordell "Jasmin" erkannt. Die Staatsanwaltschaft Dresden erhob deshalb gegen sie Anklage wegen Verleumdung. In ihrer Zeugenvernehmung am Dienstag bezichtigte die damals 16-Jährige nun ihrerseits Polizei und Staatsanwaltschaft entwürdigender Vernehmungsmethoden und der massiven Einschüchterung.
Dem Abgeordneten der Bündnisgrünen Johannes Lichdi ist es zu danken, dass die Zeugin überhaupt vor dem Ausschuss erschien. Sie leidet noch immer unter dem Trauma ihrer Misshandlungen im Bordell, in das sie durch soziale Entwurzelung ihrer Familie nach der Währungsunion 1990 geriet. "Ich will endlich Klarheit über die Namen von Personen, die mich damals benutzt haben", sagte sie.
Bei der Verhandlung gegen ihren Zuhälter 1994 hat die Zeugin nach eigenen Worten "auch andere bekannte Gesichter" im Saal entdeckt. Ob es sich dabei auch um Justizbeamte handelte, durfte sie am Dienstag mit Rücksicht auf das gegen sie laufende Verleumdungsverfahren nicht sagen. Der CDU-Obmann Günther Schneider stufte sie deshalb als unglaubwürdig ein. Zuhälter Michael Wüst hatte sich stets bester Kontakte zu Polizei und Justiz gerühmt, weshalb ihm nichts passieren könne. "Für mich hat sich erwiesen, was der Zuhälter immer vorhergesagt hatte", kommentierte sie den Verlauf des Verfahrens.
Das gilt auch für ihre Behandlung bei neuerlichen Vernehmungen wegen der "Sachsen-Sumpf"-Vorwürfe. Erklärtermaßen wollte man einer ehemaligen Prostituierten weniger glauben als einem Polizisten. "Wenn ich den Vorsitz in der Verhandlung hätte, würde ich Sie fertigmachen", soll 2008 ein Staatsanwalt zu ihr gesagt haben.
Die Zeugin wehrt sich dagegen, ihre seinerzeit mit Erpressung und körperlicher Gewalt erzwungenen Sexdienste als Prostitution zu bezeichnen. "Mit solchen Demütigungen setzt man das Werk der Täter auf andere Weise fort", sagte sie zum Schluss der Vernehmung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Filmförderungsgesetz beschlossen
Der Film ist gesichert, die Vielfalt nicht