Neues Verkehrskonzept für Mitte: Touristen müssen warten
Keine autofreie Zone: Der Senat will zwischen dem Lustgarten und dem Humboldt-Forum Pkw-Fahrern Vorrang lassen. Fußgänger sollen die Ampeln benutzen, Reisebusse woanders parken.
Wer gehofft hatte, in Zukunft gemütlich vom Humboldt-Forum aus über die Museumsinsel spazieren zu können, wird enttäuscht: Auch nach Abschluss der wohl jahrelangen Bauarbeiten am Forum soll der Autoverkehr auf der Karl-Liebknecht-Straße rollen und das Gebiet ums Neue Museum vom Schlossplatz trennen. "Eine Sperrung würde nicht zu bewältigende Verkehrsprobleme auslösen", begründete Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) am Montag ihr Verkehrskonzept.
Die Planer in der Senatsverwaltung wollen das Stück der Karl-Liebknecht-Straße auf Höhe des Schlossplatzes pflastern und somit als Teilstück mit erhöhtem Fußgänger- und Radverkehr hervorheben. Ob Tempo 30 kommt, ist unklar. Zwei Ampeln am Lustgarten sollen Fußgängern das Queren erleichtern, auch breitere Radwege sind geplant.
Auf der Verkehrsachse zwischen Alex und Friedrichstraße wird mit bis zu 35.000 Fahrzeugen täglich gerechnet. Die Senatsverwaltung plant auch eine neue Verbindung zwischen Unter den Linden/Karl-Liebknecht-Straße und der Rathausstraße am südwestlichen Ende des Schlossplatzes. Dort sollen bei Tempo 10 vorwiegend Taxis, Busse und Radfahrer unterwegs sein. Die Bodestraße und ein Teil der Straße Am Lustgarten werden für den allgemeinen Verkehr gesperrt.
Nötig wird eine neue Verkehrsführung nicht nur wegen der Um- und Neubauten auf der Museumsinsel, sondern auch wegen des erwarteten Besucheransturms: Den Prognosen zufolge wollen in Zukunft 800.000 Menschen jährlich das Humboldt-Forum sehen. Die Zahl der Touristen auf der Museumsinsel dürfte sich nach 2014 - wenn das Forum fertig sein soll - auf 17.000 pro Tag verdoppeln.
Das verlangt nach einem neuen System für die Reisebusse. Ähnlich wie in London und Paris sollen Gruppen künftig mit dem Kauf der Tickets erfahren, wann ihr Reisebus auf der Museumsinsel halten und die Touristen auswerfen darf. Die Busse müssen an dezentralen Parkplätzen warten. Kommen die Bauarbeiter gut voran, wird das Humboldt-Forum in acht Jahren zudem eine U-Bahn-Station haben.
Dem Wunsch des Autovereins ADAC, die gesamte Museumsinsel zu untertunneln, erteilte Junge-Reyer eine Absage. "Ein Tunnel ist zu teuer und verkehrspolitisch nicht sinnvoll - er nützt dem Zielverkehr nicht." ADAC-Vorstandsmitglied Eberhard Waldau konterte, das nun vom Senat vorgestellte Konzept könne allenfalls eine Übergangslösung sein.
Auch der Wunsch von Kulturstaatssekretär André Schmitz, eine autofreie Zone am Humboldt-Forum einzurichten, ist mit dem Konzept vom Tisch - sehr zum Bedauern der Grünen. "Es sollte ein Ort für Menschen sein, nicht für Autos", kritisierte deren verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion, Claudia Hämmerling. Dem Senat fehle der Mut, einen öffentlichen Raum so zu gestalten, dass er Lust zum Flanieren mache. Hämmerling sprach sich erneut für alternative Verkehrssysteme aus, bei denen Fußgänger und Radfahrer eher auf ihre Kosten kommen.
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