Neues TV-Format von Kuttner und Kavka: Geschlecht trifft auf Klischee
Selbstversuch Boxen, Tango tanzen, Spinnenpopos kraulen: "Frau Kuttner & Herr Kavka" (3sat) will spielerisch Geschlechterklischees persiflieren – und scheitert kolossal.
"Links, zwo, drei, vier. Links, zwo, drei, vier." So wummert der männliche Sound von Rammstein, denn er soll zu dem passen, was gleich hier passiert. Das wohl Männlichste, was man sich vorstellen kann: Boxen.
"Machos sind out, Heimchen am Herd auch", schreibt 3sat im Presseheft zur vierteiligen Reportageserie "Frau Kuttner & Herr Kavka" und fragt: "Aber was macht einen echten Kerl, was eine moderne Frau aus?" Das sollen die einstigen Viva- und MTV-ModeratorInnen Sarah Kuttner und Markus Kavka "bei vollem Klischee-Bewusstsein" auf einer "Expedition in den Dschungel unserer geschlechtsspezifischen Stereotype" beantworten.
Pro Folge machen die beiden jeweils zwei Selbstversuche, in denen sie "unser heutiges Rollenverständnis aufs Korn" nehmen - so das Versprechen. Doch leider ist schon die erste Folge eine Wiederauferstehung von Heimchen und Macho in vier Akten.
Das zeigt sich schon im ersten Akt, beim Boxen mit Bestsellerautorin Sarah Kuttner ("Mängelexemplar"), die man 2009 die neue Charlotte Roche nannte. Sie lernt Boxen von Weltmeisterin Ina Menzer, hüpft nervös herum, knufft mit einem Finger gegen den riesigen Boxsack, der, zugegeben, sehr einschüchternd ist. Kuttner versucht herauszufinden, wie weiblich die Boxerin tatsächlich ist: "Du musst immer so stark sein. Wann hast du das letzte Mal geweint?" Ina Menzer ist konsterniert ob der Frage, deshalb geht es schnell weiter.
Die Musik wechselt von "Girls just wanna have fun" zu Action-Mucke - soll heißen: Jetzt wirds männlicher, gefährlicher. Es geht in den Ring: "Das, was du da auf dem Boden siehst, ist Blut", sagt Menzer. Dann wird geboxt, geschwitzt, gestunken, Kuttner kommt sich männlich vor. Nach getaner Arbeit trifft sie ihren Kollegen Markus Kavka in einem accessoirereichen Fernsehserien-Wohnzimmer.
Beide sitzen auf einem schwarzen Sofa und Kavka sagt: "Der liebe Gott hat nicht gewollt, dass sich Frauen die Fresse polieren." Kuttner stimmt zu: "Ich stehe meinen Mann woanders, am Herd." Ohne mit der Wimper zu zucken, vollkommen ernst. Mission gescheitert.
Dann muss Markus Kavka, MTV-Veteran, DJ und Ko-Autor des Buches "Mach mir mal ne Nudelsuppe, bevor ich dich besudel, Puppe", ran. Und zwar an den Mythos, dass jeder Mann eine Nacht im Gefängnis verbracht haben muss. Man hört melancholische Western-Musik, sieht den Stacheldraht der JVA Dresden. Kavka bekommt blaue Sträflingskleidung, ein Beamter geleitet ihn in die Zelle.
Auch Kavka brilliert mit einer Frage: "Gibt es Leute, die hierhin kommen und sagen: ,Haha, jetzt bin ich mal im Knast?'" Der Beamte verneint das, natürlich. Stattdessen, sagt er, stünden Sexualstraftäter in der Knasthierarchie ganz unten. Wie im echten Leben. Dann geht Kavka in die Zelle, hinter ihm schlägt die Tür in Slow-Motion zu - insgesamt dreimal, damit es dramatischer wirkt.
Der Rest ist schnell erzählt: Kavka raucht Kette, wandert umher, guckt aus dem Gitterfenster, kann nicht schlafen, redet mit einer Handkamera. Musik: "Ive never seen a night so long". Kavkas Fazit auf dem Sofa: "Ich will es nie wieder machen." Kuttner: "Dann einfach nicht straffällig werden." Jepp.
Im dritten und vierten Akt der insgesamt 30 Minuten streichelt Kuttner einen Spinnenpo, um ihre weibliche Insektenangst zu überwinden, und Kavka beweist, dass Männer beim Tangotanzen nur ans Vögeln denken. Fazit: Wer im Jahr 2010 wirre Geschlechtervorurteile bestätigt sehen will, für den ist "Frau Kuttner & Herr Kavka" ideal. Alle anderen können sich getrost mit dem echten Leben begnügen. Da gibts, Gott sei dank, weniger Klischees.
"Frau Kuttner & Herr Kavka", 22.25 Uhr, 3sat
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