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Neues Spiel, neues Unglück

Gehen Sie nicht über Los, der Senat zieht 200 Millionen Mark ein: SPD-Fraktion segnet Sparrunde ab, die der Stadt „weh tun wird“  ■ Von Silke Mertins

Kaum betrachtet man als hingebungsvoller Monopoly-Spieler mit kapitalistischem Wohlbehagen die erworbenen Straßen, die gebauten Häuser und die angehäuften Einkünfte, da landet man auf dem Feld Zusatzsteuer, zieht eine Ereigniskarte, und schon sind die Früchte der akkumulierenden Arbeit dahin.

So schlecht erging es auch der Freien und Hansestadt Hamburg: Die Zusatzsteuer heißt „Länderfinanzausgleich“, auf der Ereigniskarte stehen „Konjunkturflaute“ und „Arbeitslosigkeit“. Im Haushalt werden wegen der Steuerausfälle zusätzlich 132 Millionen Mark gebraucht, die Hamburg nicht hat und – genau wie beim Monopoly – auch nicht borgen kann.

Am Wochenende beriet nun die SPD-Fraktion auf einer Klausurtagung in Lüneburg, wie die Summe durch Einsparungen beigebracht werden könne, um die Lücke im Betriebshaushalt 1997 zu schließen. „Wir krabbeln und krabbeln, und was wir erreichen, wird uns wieder weggenommen“, dämpfte anschließend die Fraktionsvorsitzende Elisabeth Kiausch die Hoffungen auf erfolgreiche Konsolidierungsbemühungen des Senats.

Auf ein Einsparvolumen von 200 Millionen Mark haben sich SPD und Statt Partei geeinigt. 72 Millionen werden aus dem Investitionshaushalt gestrichen; anstehende Bauvorhaben wie die Stadtbahn werden weiter verschoben. Zum Tragen kommen die mit Krediten finanzierten Investitionsausgaben im Betriebshaushalt ohnehin nur als Zinslasten.

Ans Eingemachte geht es bei den restlichen 130 Millionen Mark Einsparungen: Finanzsenator Ortwin Runde (SPD) hat Vorschläge für 50 Millionen Mark bereits vorgelegt. Weitere 50 Millionen sollen bei der Sozialbehörde – Sozialhilfe- und Erziehungsgeld –, bei der Schul- und der Baubehörde eingezogen werden. Völlig unklar blieb, wem das restliche Geld weggenommen werden soll. „Diese 30 Millionen werden weh tun“, kündigte Kiauschs Vize Jan Ehlers an.

Obwohl die Zeit drängt, befaßte sich die SPD-Fraktion auf ihrer Klausurtagung nicht mit der Konkretisierung jener schmerzhaften 30 Millionen Mark; die Entscheidung darüber wurde auf den 2. Dezember verschoben. Statt dessen stritt man sich über die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe für Behinderte, die in Sozialwohnungen wohnen.

Zunächst beschloß die Fraktion, alle Behinderten von der Abgabe auszunehmen. Das aber hätte einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet. Fraktionschefin Kiausch ließ nach einigen Ermahnungen ans Fraktionsvolk dann noch einmal abstimmen. Und siehe da, nun soll erst ab einer Behinderung von 80 Prozent für Fehlbelegung nicht gezahlt werden müssen. Das kostet fünf Millionen Mark – vermutlich, denn genaue Zahlen darüber, wieviele schwerbehinderte Sozialmieter es gibt, lagen nicht vor.

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