Neues Projekt gegen Schuleschwänzen: Eltern sollen teilentmündigt werden

Schätzungsweise 500.000 Mädchen und Jungen bleiben der Schule regelmäßig fern. Das Amtsgericht Hannover plant, ihren Eltern das Sorgerecht für schulische Angelegenheiten zu entziehen.

Sollten sie eigentlich in der Schule sein? Bild: dpa

HANNOVER/BERLIN dpa/taz | Hannoveraner Jugendrichter wollen die Eltern von jugendlichen Schulschwänzern stärker in die Pflicht nehmen. Fehlen die Jugendlichen mehr als 20 Tage unentschuldigt in der Schule, steht den Eltern ein Besuch des Jugendamts ins Haus. In letzter Instanz droht ihnen der Entzug des Sorgerecht in schulischen Angelegenheiten.

Kinder, die regelmäßig gegen die Schulpflicht verstoßen, werden bereits jetzt von den Schulen zunächst an die Ordnungsämter gemeldet. Diese verhängen ein Bußgeld. Für Kinder, die jünger als 14 Jahre sind, haften die Eltern in vollem Maße. Um Schüler, die älter sind, kümmert sich bei Nichtzahlung des Bußgeldes das Jugendgericht. Nach Angaben von Michael Siegfried, Sprecher des Amtsgerichts Hannover, bekommen die Jugendrichter monatlich rund 200 solcher Fälle vorgelegt. Die Richter wandeln die Geldstrafe bisher in Sozialstunden um oder verhängen Jugendarrest.

"Es geht darum, den Kindern mit 13, 14, wenn die Pubertät zuschlägt, nicht jegliche Bildungschancen fürs Leben zu nehmen", sagte Jugendrichter Jens Buck, von dem die jüngst angelaufene Initiative stammt. Schulschwänzern mit massiven familiären Problemen kann seit 1. Dezember ein sogenannter Ergänzungspfleger zur Seite gestellt werden, der die Verantwortung in allen schulischen Dingen übernimmt.

Keine verlässlichen Daten

Die Jugendrichter berufen sich bei dieser bundesweit bisher einmaligen Maßnahme auf das Jugendgerichtsgesetz. Dieses sieht Maßnahmen zur Abwendung einer Gefährdung des Jugendlichen vor.

In das neue Projekt sind zahlreiche Institutionen wie Ordnungs- und Jugendämter, Kinderschutzzentren und Beratungsstellen eingebunden. "Es steht die Hilfe im Vordergrund, nicht die Sanktion", betonte Amtsgerichts-Präsident Gerd Vogel. Gefragt seien auch die Lehrer, sagte Buck. Sie informierten die Behörden manchmal zu spät über notorische Schulschwänzer. Über die Zahl der Schulschwänzer gibt es bundesweit keine verlässlichen Daten. Schätzungen gehen von einer halben Million aus.

Statistisch erfasst ist allein die Zahl der Schulabbrecher. Jährlich verlassen rund 7 Prozent der Schüler die Schule ohne Abschluss. Von diesen stammt über die Hälfte aus Förderschulen. Ihre Chancen auf dem Ausbildungsmarkt sind gering - mehr als drei Viertel von ihnen findet keine betriebliche Lehrstelle und landet in Warteschleifen des sogenannten Übergangssystems

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