Neues Onlineportal der WAZ: Wissen für Wessis

Eine ehemalige Bloggerin leitet das neue WAZ-Projekt: Am Montag geht DerWesten.de online. Katharina Borchert will das Webportal zur Stimme einer Region machen.

"Erst mal anschauen, wie es läuft": WAZ-Online Chefin Katharina Borchert. Bild: dpa

ESSEN taz Fünf Zeitungen, fünf Internet-Auftritte? Das war einmal. Wenn am kommenden Montag das neue Onlineportal der Essener WAZ-Mediengruppe startet, existiert nur noch eine Adresse, die alle NRW-Titel des zweitgrößten deutschen Zeitungshauses vereint: DerWesten.de. Schon der Name macht den Anspruch deutlich, als Stimme einer ganzen Region begriffen werden zu wollen. Oder vielleicht noch mehr. WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz sagte jüngst dem Fachblatt Medium Magazin: "Ich war ja immer Wessi und bekenne mich auch klar dazu. Westlich zu denken, das heißt Europa, Amerika und offene Gesellschaft. Also, mit dem Namen schwingt auch etwas mit, und das soll es auch."

Bei allen West-Schwingungen: Neben Video- und Audiobeiträgen sowie Berichten aus 140 Städten, egal ob sie nun unter dem Logo der WAZ, der Neuen Ruhr- bzw. Rhein-Zeitung (NRZ), der Westfälischen Rundschau (WR), Westfalenpost (WP) oder des Iserlohner Kreisanzeigers (IKZ) erscheinen, will der Konzern im Netz auch allerhand Klimbim unterbringen: interaktive Landkarten etwa, die dem Leser anzeigen, wo es in der Nachbarschaft gerade brennt. Oder die im Web 2.0 unvermeidliche Möglichkeit, ein persönliches Profil anzulegen. In sogenannten Communitys können dann Fotos getauscht und Freunde gesammelt werden. Außerdem darf jeder eigene Beiträge verfassen. Klingt ambitioniert. Und nach viel Arbeit.

Ursprünglich sollte Der Westen im Frühjahr starten - die Premiere wurde aber immer wieder vertagt. Auch weil rund 900 Redakteure in den Lokalredaktionen erst im Umgang mit dem neuen Onlineredaktionssystem geschult werden mussten. Für den Inhalt des Internetauftritts sind nämlich nicht nur die 20 Onlineprofis in der Essener Zentrale zuständig, sondern vor allem die Redakteure vor Ort. Und die fragen sich, wie sie das stemmen sollen: "Wir recherchieren, gehen auf Termine, fotografieren, schreiben, erledigen Layout und Korrektur - und jetzt sollen wir auch noch das Internet bestücken?", fragt eine Lokalredakteurin. Und ein Kollege sagt: "Wir machen bereits die Zeitung an der Leistungsgrenze." Die Online-Arbeit komme noch oben drauf. "Ich wehre mich nicht gegen das Internet", sagt die Redakteurin, "aber die Art und Weise, ohne Personalaufstockung, ohne zusätzliches Honorar, dagegen habe ich etwas."

Katharina Borchert, im vergangenen Jahr von der Bloggerin zur WAZ-Online-Chefin aufgestiegen, sagt, sie könne die Reaktionen der Kollegen verstehen, wendet aber ein: "Ich finde, man sollte sich erst mal anschauen, wie es läuft, bevor man zur Geschäftsführung geht und weiteres Personal einfordert." In einem halben Jahr werde man gemeinsam beraten, ob es funktioniert.

Es muss funktionieren. Schließlich hat die WAZ eine sechsstellige Summe in das Projekt gesteckt und will schon in ein paar Jahren schwarze Zahlen schreiben. Das könnte klappen. Die einzelnen Auftritte zählen bislang nach WAZ-Angaben zusammen rund 38 Millionen Zugriffe pro Monat. Bündelt Der Westen das alles, bedeutet das auch stattliche Werbeeinnahmen, ganz abgesehen von den gespeicherten Nutzerprofilen: Welches Geld sich mit den Daten der Leser verdienen lässt, ist schwer abzuschätzen. Sicher ist: Communitys wie das virtuelle Poesiealbum studiVZ bescherten den Erfindern Millionenbeträge - obschon sie, wie das WAZ-Portal, für die User kostenlos sind. Nach außen aber wird das WAZ-Portal freilich nicht als Wirtschaftsfaktor verkauft, sondern als - siehe oben - Identifikationsmarke für ein Bundesland. Ob die WAZ diesen Anspruch einlösen kann, wird sich nächsten Montag zeigen.

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