Neues Layout von tagesschau.de: Das Blau fehlt
Die „Tagesschau“ hat ihren Onlineauftritt schick gemacht: größere Schrift, weniger Symbole. Das klingt unspektakulär, birgt aber Konfliktstoff.
Dieser blaue Rand fehlt seit Dienstag. Die Digitalredaktion der ARD hat den Onlineauftritt von Tagesschau.de neu aufgesetzt. Wo früher blau war, ist jetzt weiß. „Luftiger“ sagen sie dazu intern, die Startseite ist nun weniger überladen mit Text und kleinen Symbolen, die angeklickt werden wollen. Die Schrift ist größer, der Weg zur aktuellsten Tagesschau-Sendung kürzer, und die Meldungen sind in Ressorts unterteilt. Das klingt nach Kleinigkeiten, ist aber im Kosmos der ARD – und der gesamten deutschen Medienlandschaft – eine Neuerung mit Zündstoff.
Viele Jahre haben die Zeitungsverlage und die ARD darum gestritten, welchen Journalismus die ARD im Netz machen darf, konkreter: Wie viel Text sie dort publizieren darf neben ihren Videos und Audios. Die Verlage fürchten, dass Tageschau.de ihnen das Publikum wegnimmt.
Weil die „Tagesschau“ durch den Rundfunkbeitrag finanziert wird, muss sie ihre Texte im Netz nicht hinter eine Bezahlschranke stellen. Viele Verlage verdienen aber genau damit im Internet ihr Geld. Wenn Tagesschau.de also etwas ähnliches anbietet wie Spiegel.de und Co, nur ohne Paywall, wieso sollten Leserinnen und Leser dann auf anderen Webseiten Geld für Nachrichten ausgeben?
Bitte nicht zu viel Erfolg
Vergleicht man die Zugriffszahlen auf tagesschau.de mit denen der privaten Verlage, dann zeigt sich: tagesschau.de gehört zu den meistgeklickten deutschen Nachrichtenseiten. Aber das hören sie nicht gern in der ARD. Denn zu viel Erfolg könnte die Verlage wieder provozieren.
Elf Zeitungsverlage hatten 2011 gegen die App der „Tagesschau“ geklagt und waren erfolgreich: 2016 urteilte das Oberlandesgericht Köln, die App sei zu presseähnlich. Da sich die Klage allerdings nur auf das Angebot der App an einem bestimmten Beispieltag aus dem Jahr 2011 bezog, hatte das Urteil keine direkten Folgen.
Zwei Jahre später, 2018, einigten sich auf Druck der Politik der Lobbyverband der Zeitungsverleger, der BDZV, und die Öffentlich-Rechtlichen darauf, was die ARD im Netz darf: Sie solle ihren Textanteil im Internet zurück fahren, ausführliche Texte nur noch dann veröffentlichen, wenn sie konkreten Bezug zu einer Sendung haben oder um Barrierefreiheit zu gewährleisten.
Daran habe sich auch im neuen Onlineauftritt nicht viel verändert, heißt es von Seiten der ARD nun. Die Textmenge sei auf der neuen Webseite gleich geblieben, beim Relaunch hätten gestalterische Veränderungen im Fokus gestanden.
Verlegerverband skeptisch
Der Verband der Zeitungsverleger BDZV ist sich da noch nicht so sicher. Die neue tagesschau.de-Seite erscheine „auf den ersten Blick textreich“, schreibt eine Sprecherin auf taz-Nachfrage. Man werde in den Gremien des Verbands besprechen, inwieweit die neue Seite gegen die geltenden Regeln verstoße. „Sollten Verstöße festgestellt werden, bleibt zunächst der Weg zur im Mai 2019 ins Leben gerufenen Schlichtungsstelle offen.“
Diese Schlichtungsstelle war einer der Kompromisse, den der BDZV und die Öffentlich-Rechtlichen 2018 verabredet hatten: Wenn es Ärger gibt, dann solle der erstmal zwischen den beiden Parteien geklärt werden, eh wieder ein jahrelanger Rechtsstreit angezettelt würde.
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