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Neues HundegesetzNiedersachsen beendet Rassismus

Jeder Hund in Niedersachsen muss ab 1. Juli registriert werden. Wer ein Tier anschafft, muss eine Eignungsprüfung ablegen. Ziel ist mehr Sicherheit, aber es bleiben erhebliche Lücken.

Unbeschwertes Hundeleben ist in Niedersachsen bald vorbei: Riesenschnauzer Bild: dpa

HAMBURG taz | Einen „Führerschein“ muss ab 1. Juli machen, wer sich einen Hund zulegen will. Außerdem muss jeder Hund über sechs Monate in einem Zentralregister eingetragen werden. Damit geht Niedersachsen weiter als alle anderen Bundesländer, die nur bestimmte Hunderassen speziellen Regeln unterstellen.

Zwei Regelungen des niedersächsischen Hundegesetzes treten in Kraft, die bisher ausgesetzt waren. Denn es fehlte an einem konkreten Plan, wie das zentrale Register aussehen soll. Der sogenannte Sachkundenachweis soll sicherstellen, dass der neue Hundehalter auch geeignet und zuverlässig genug ist, um einen Hund zu halten. Wer schon jahrelang Hundebesitzer ist, für den kann die Pflicht ganz entfallen.

Wie das genau geprüft werden soll, daran bastelt derzeit noch das Landwirtschaftsministerium in Hannover. Fest steht, dass es einen Theorie und Praxisteil geben wird. 35 Fragen sind dann zu beantworten, das geht auch online und wird um die 14 Euro kosten. Diese theoretische Prüfung muss der Tierliebhaber ablegen, bevor er einen Hund anschafft, den praktischen Teil dann innerhalb eines halben Jahres nach Anschaffung. Dies soll ermöglichen, dass der neue Besitzer und das Tier sich aneinander gewöhnen können. Wie teuer dieser Teil der Prüfung wird, ist noch unklar.

Pflichten für Hundehalter

Ab 1. Juli sind alle Hunde in Niedersachsen kostenpflichtig in einem zentralen Register anzumelden. Wer einen neuen Hund kauft, muss einen Sachkundetest ablegen.

Diese Sachkundeprüfung umfasst theoretische Fragen über Hundehaltung, Tierschutz und Erziehung, praktisch soll der Halter beweisen, dass er mit dem Tier umgehen kann.

Befreit von der Prüfung ist, wer seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen einen Hund gehalten hat.

Hundehalter, die erwischt werden, ohne die Prüfung abgelegt zu haben, müssen mit bis zu 10.000 Euro Bußgeld rechnen.

Gesetzestext auf

Wer durchfallen sollte, muss sich nicht allzu viel Sorgen machen: Der Test ist beliebig oft wiederholbar. „Es gibt, glaube ich, niemanden, der den Anforderungen nicht gewachsen ist“, sagt Jochen Rissmann, Landesvorsitzender des Verbands für das Deutsche Hundewesen (VDH).

Niedersachsens Konzept ist bisher einzigartig in Deutschland. In anderen Bundesländern muss sich nur prüfen lassen, wer eine bestimmte Rasse kauft. In Frankreich, der Schweiz und Österreich gibt es schon seit Jahren einen Hundeführerschein, aber auch hier werden einzelne Rassen unterschieden. Dieses Vorgehen nennt Rissmann wissenschaftlichen Unsinn: Jeder Hund müsse gut erzogen werden, nicht nur diejenigen auf bestimmten Rasselisten. Dafür müsse der Halter aber auch über ein bestimmtes Wissen verfügen.

„Auch der kleine Schoßhund kann zuschnappen – Probleme ergeben sich wegen der Haltung, nicht Rasse, deswegen überprüfen wir den Halter“, sagt auch Susanne Reimann vom Landwirtschaftsministerium. Sie glaubt nicht, dass sich wegen des neuen Gesetzes weniger Menschen einen Hund zulegen werden. Schließlich sei so eine Prüfung auch eine „Horizonterweiterung, da man dabei über seinen Hund etwas lernt“.

Kritiker bemängeln die doppelte Registrierungspflicht und die zusätzlichen Gebühren: So muss ein Hund in Niedersachsen künftig nicht nur bei der Kommune angemeldet werden, die die Hundesteuer erhebt, sondern ab Juli eben auch in der neuen zentralen Datenbank.

Bisher gibt es deutschlandweit keine offiziellen Zahlen und Statistiken zur Hundehaltung: Es ist unklar, wie viele Menschen einen Hund besitzen, oder auch an wie vielen Vorfällen welche Hunderassen beteiligt sind. Beißt irgendwo ein Hund zu, muss das nicht gemeldet werden, die Dunkelziffern sind hoch. In Niedersachsen könnte sich dies nun ändern.

VDH-Sprecher Rissman allerdings zweifelt: „Sachlich und fachlich ist das zwar einwandfrei gemacht, aber es gelingt nicht einmal den Kommunen, jede Hundesteuer zu kassieren“, sagt er. „Der Verwaltungsaufwand ist einfach zu hoch.“ Immerhin kann er sich vorstellen, dass etwas erhöhte Hürden bei der Haltung eines Hundes dessen Wohl zugute kommen könnten.

Die Einhaltung des neuen Hundegesetzes dürfte schwer zu überprüfen sein: Wer einen Hund anschaffen will, muss auch nach dem 1. Juli nicht nachweisen, dass er den „Führerschein“ gemacht hat. Ein Verkäufer muss nicht danach fragen. Auch wenn der neu ins Haus gekommene „beste Freund“ angemeldet wird, muss der Halter seine Eignung nicht nachweisen. Erst, wenn es beispielsweise zu einem Beißvorfall gekommen ist, wird nach dem Nachweis und der Registrierung gefragt. Wer eines davon dann nicht vorzeigen kann, den erwarten Bußgelder von bis zu 10.000 Euro.

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13 Kommentare

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  • J
    Jonas

    Die einzigste Reaktion auf diese doppelte Registrierung, die auch noch Geld kostet,hätte sein müssen,das alle Hundehalter Deutschlands ihre Hunde sofort im Tierheim abgeben,bis dieser komplette Schwachsinn wieder annulliert wurde.Das mal ein Hund zubeisst kann man nicht vorhersagen und schon garnicht kontrollieren.Es ist aber immer dann die Schuld des Halters,also muss er dafür gradestehn.Auch sollte man sich die Leute sehr genau anschauen bevor man denen einen Hund anvertraut.Das wahre gesicht zeigt eh keiner beim Kauf eines Hundes,der Hund muss es dann ausbaden.

  • C
    claudia

    So wie das Gesetz nun in Kraft tritt, ist es wirklich ein Witz. Man sollte meiner Meinung nach schon etwas nach der Rasse/ Gewicht/ Größe entscheiden. Unser kleine 2 Kilo Chihuahua ist kleiner und friedlicher als unsere drei freigänger Katzen, die öfter mal einen Vogel usw. anschleppen.

    Meiner Meinung nach ist das Gesetz in dieser Form reine Abzocke.

    Für bestimmte Rassen und Größen von Hunden aber sicherlich eine gute Sache.

  • M
    Micha

    Und wie steht es mit Leute aus andere Regionen und ihre Hunden die zur Besuch kommen?

    Und noch etwas, wenn jeder, wirklich jeder diese Hundeprüfung machen kann dann macht es doch keinen Sinn! Weil es jetzt schon so viele Idioten mit Hunden gibt, das ist nur verarschung um Geld aus der Tasche zu klopfen!

  • R
    Rena

    Verantwortung hat man oder nicht. Menschen die verantwortungslos sind, wird man auch so nicht ändern. Außerdem wundert es mich, dass in der TAZ nicht offen und ehrlich berichtet wird. Gesetze haben keine Gültigkeit! Dieses sollte sich doch nun mittlerweile herumgesprochen werden. Alle Menschen sind Angestellte der BRD. Es gibt keine Ausnahme oder höher gestellten Menschen, dieses wurde uns nur immer vorgelogen. Leute, informiert Euch und ihr werden erfahren, wie wir alle vera..... wurden! Übrigens Steuerpflicht besteht auch nicht! Dieses wurde sogar am 12.06.2013 in einer Gerichtsverhandlung vom Kieler Finanzgericht bestätigt!

  • S
    Suki

    Theoretisch echt nicht schlecht und das der Hundeführerschein in rheinlandpfalz auch zur pflicht werden soll, wird auch schon länger diskutiert.

    Minuspunkte sind mMn jedoch, dass der theoretische Teil auch online gemacht werden kann (kann ich beim Autoführerschein auch nicht und wer garantiert das nicht geschummelt wird?) Und auch das Personen die sich schob lange Hundebesitzer nennen dürfen, davon freigesprochen werden. Wer sagt denn, dass nur weil jemand etwas schon lange macht, er es richtig/gut macht.

    Das es schlecht zu überprüfen ist, wird im Artikel schon erwähnt. Und wenn die drückeberger nur im schadensfall mit extra bußgeldern belegt werden, wird es nur noch mehr unfallflüchtige geben. Gibt ja schon genug, die einfach abhauen, weil der hund nicht versichert ist/schon mal gebissen hat und sich vor höheren Konsequenzen gefürchteten wird/ der hund(ehalter) schon Auflagen wie leinen- und maulkorbzwang auferlegt bekommen hat und sie nicht einhält. Wenn jetzt noch bis 10.000 € Bußgeld drauf kommen, bleibt doch keiner mehr freiwillig und hilft oder zahlt.

    Generell echt ne nette Idee, nur leider mit zu großen Lücken.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Ein zuführende Regelung ist zu begrüßen,was die Hundehaltung im Bundesland Nedersachen betrifft.

  • J
    Jörn

    Der einzige Zweck dieses Vorhabens ist es, via Gebühren dem heruntergewirtschafteten Land Geld in die Kassen zu spülen.

  • F
    Felix

    die idee ist nicht schlecht, die umsetzung mangelhaft.

    wozu sowas einführen wenn mans nicht durchzieht?

     

    oder machen wirs beim auto jetzt auch so, führerschein muss man erst dann zeigen können wenn man jemanden über den haufen gefahren hat?

     

    ein hund braucht nun mal anders als eine katze einen rudelführer und wenns der mensch nicht ist, dann übernimmt der hund den job. und nur weil das manche hundehalter nicht begreifen will ich weder nen rottweiler noch nen mops am bein hängen haben...

     

    (und ja, ein kinderführerschein wär bei manchen auch echt angebracht...)

  • PP
    Peter Param

    Unglaublich, dieser Verordnungswahn. Wie sehr wollen sich die Deutschen eigentlich noch gängeln lassen?

  • J
    JMM

    Auf der einen Seite müssten nach dieser Logik ja auch alle Eltern erst einmal nachweisen, dass sie geeignet sind Kinder zu bekommen.

     

    Auf der anderen Seite möchte ich nicht das mein Hund dumm-dämlich alles macht, was ich ihm sage. Mein Hund hat bewusst etwas geistige Freiheit.

  • C
    Carla

    Das Hundegesetz ist doch bereits 2011 beschlossen worden - nicht von Herrn Weil, sondern der schwarz-gelben Landesregierung: aber nun erst wird der Hundeführerschein verpflichtend. Ich finde die Regelung klasse: das fortschrittlichste Hundegesetz in der Bundesrepublik - für die Hunde, deren Halter nun in die Verantwortung genommen werden.

  • Z
    zehdeh

    gute Güte, wo lebe ich nur - es wird Zeit dieses Land zu verlassen...

  • F
    FaktenStattFiktion

    Wieder eine absolut unsinnige bürokratische Hürde made by Herrn Weil. Der hätte lieber Frau Lang heiraten, als in die Politik gehen sollen.

    KEIN Gewinn an Sicherheit,

    KEIN Nutzen,

    KEINEN Sinn.

     

    Was Hollande als Muster-Blindgänger für Frankreich ist, das ist Weil für Niedersachsen. Er hätte den Landtag mal verlassen und zu Herrn Rissmann in dessen Geschäft an der Marktkirche gehen sollen. Da hätte er mehr Sachverstand vorgefunden, als be der Quoten-Minsterin und deren kruden Gesetzentwrf.