Neues Hartz-IV-Konzept: SPD versöhnt Gewerkschaften

Parteichef Gabriel testet das neue Hartz-IV-Konzept der SPD bei den Betriebsräten, den ehemaligen Verbündeten. Und der Schulterschluss scheint zu gelingen.

Die Wahl hätte historischen Charakter, so Sigmar Gabriel - hier mit der NRW-SPD-Chefin Hannelore Kraft. Bild: reuters

BOCHUM taz | Es war der erste große Test an der Basis, der Versuch, sich mit den Verbündeten von früher zu versöhnen. Am Montag hat SPD-Parteichef Sigmar Gabriel bei einem Treffen von Betriebsräten in Bochum das neue Konzept zur Arbeitsmarktpolitik vorgestellt. Das Treffen war als Stimmungstest mit Spannung erwartet: Galt es doch, die einst so treuen Gewerkschaften vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai wieder für die SPD zu mobilisieren.

Die Wahl hätte historischen Charakter für die gesamte Bundesrepublik, so Gabriel vor über 600 der Partei nahestehenden Betriebsräten. "Wir wollen den Sozialstaat erhalten, Wirtschaft und Umwelt ebenso verbinden wie Bildung und Arbeit", bat er um die Unterstützung der Arbeitnehmervertreter. Gabriel räumte zuvor eine Entfremdung seiner Partei von der Gewerkschaftsbewegung und damit zumindest indirekt Fehler bei der Hartz-Gesetzgebung ein.

Erst eine Woche zuvor hatte das SPD-Bundespräsidium deutliche Korrekturen der Hartz-Agenda angekündigt. Dazu gehört etwa eine verlängerte Zahlung des höheren Arbeitslosengelds I und die besonders von Nordrhein-Westfalens SPD-Chefin Hannelore Kraft geforderte Schaffung eines öffentlich geförderten dritten Arbeitsmarkts.

Gegen die Gewerkschaften könne die SPD keine Wahlen gewinnen, gestand Gabriel - und kündigte einen Paradigmenwechsel der SPD-Arbeitsmarktpolitik an, der weit über die angekündigten Hartz-Korrekturen hinausgeht: Ziel sei künftig die Bekämpfung aller Formen von prekärer Beschäftigung, erklärte der SPD-Chef und nannte beispielhaft den Niedriglohnsektor, durch den immer mehr Menschen auf staatliche Unterstützung angewiesen seien, sowie befristete Beschäftigungsverhältnisse und Leiharbeit. "Der unbefristete, sozialversicherungspflichtige Vollzeitjob muss wieder die Regel werden", forderte Gabriel. "Niedriglöhne sind Armutslöhne."

Mit Blick auf die Landtagswahl forderte er Grünen-Anhänger zum Stimmensplitting auf. Diese sollten für einen Machtwechsel mit der Erststimme SPD-Kandidaten wählen. Die SPD strebe aus inhaltlichen Gründen eine rot-grüne Koalition an, "nicht nur, weil es rechnerisch geht", sagte Gabriel. Der Generalsekretär der NRW-CDU, Andreas Krautscheid, kritisierte, Gabriels Betteln um grüne Leihstimmen zeuge von mangelndem Respekt vor den Wählern. Es gehe offenbar nur noch um die Mehrheit zur Machterlangung.

Unterstützung erhielt Gabriel inhaltlich und politisch vom nordrhein-westfälischen DGB-Vorsitzenden Guntram Schneider - der Sozialdemokrat gilt in Düsseldorf bereits als Schattenarbeitsminister eines möglichen Kabinetts Kraft. Schneider rief enttäuschte, aus der SPD ausgetretene Gewerkschafter zur Rückkehr in die Partei auf.

Unabhängig davon: Zumindest zu einem Teil war Parteichef Gabriels Mission in Bochum erfolgreich. Der neue, arbeitnehmerfreundliche Kurs der SPD wurde von den Betriebsräten positiv aufgenommen. "Ich freue mich", sagte ein Ver.di-Gewerkschafter während der nachmittäglichen Aussprache, "dass die SPD wieder auf unserer Seite ist."

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