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Neues Gesetz in IsraelTruppenabzug mit Zweidrittelhürde

Künftig müssen in Israel zwei von drei Parlamentariern zustimmen, wenn es um einen Friedensvertrag mit territorialen Kompromissen geht. Sonst gibt es eine Volksbefragung.

Israelische Soldaten in den Golan-Höhen. Eine Entscheidung über einen möglichen Abzug der Truppen wird mit dem neuen Gesetz erschwert. Bild: dpa

JERUSALEM taz | Sollten sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas eines Tages doch über den Frieden einigen, müsste vor dem Abzug der Truppen und der Räumung von Siedlungen das israelische Volk befragt werden. Ohne Mehrheit für territoriale Zugeständnisse ist kein Frieden möglich. Das entschied am späten Montagabend die Knesset (Parlament) mit 65 Befürwortern und 33 Gegnern.

Von dem Gesetz ist Syrien genauso betroffen wie die Palästinenser. An beiden Fronten wird eine Friedensregelung erschwert. Umfragen, die 2008 vorgenommen wurden, als Jerusalem und Damaskus mit Hilfe eines türkischen Vermittlers verhandelten, deuten auf ein klares Nein der Bevölkerung gegen den vollständigen Abzug von den Golanhöhen. Bei 70 Prozent lag damals die Zahl der Gegner eines Abzugs, dem nur rund ein Viertel der Israelis zugestimmt hätten.

Ähnlich düster sieht es mit der Kompromissbereitschaft gegenüber den Palästinensern aus. Einer jüngst von der Universität Tel Aviv vorgenommenen Befragung zufolge glauben 73 Prozent nicht daran, dass mit der Gründung eines Staates Palästina der Konflikt beigelegt werden könnte. 63 Prozent der Befragten treten dafür ein, an den meisten israelischen Siedlungen im Westjordanland festzuhalten.

"Sind Sie für oder gegen den (Friedens-)Vertrag, den die Knesset befürwortet hat?", würde die Frage bei einem Referendum in Israel lauten. Die Volksbefragung würde sich nur dann erübrigen, wenn sich 80 der 120 Parlamentarier für den Abzug aus besetzten oder annektierten Gebieten entscheiden. Das Gesetz gilt auch im Fall eines Gebietsaustauschs, wie er sich zwischen Israel und den Palästinensern abzeichnet.

Jariv Levin, Likud-Abgeordneter und Initiator des Gesetzes, schränkte indes ein, dass er mit dem Vorschlag "auf bedeutende Territorien" abgezielt habe, "nicht auf Grenzbegradigungen". Verteidigungsminister Ehud Barak mahnte: "Dies ist kein gutes Gesetz. Es bindet der Knesset die Hände." Der Chef der Arbeitspartei überließ den Genossen die freie Entscheidung.

Auch Oppositionschefin Zipi Livni kritisierte das Votum der Knesset, das auf "eine schwache Führung" schließen ließe. Netanjahu hingegen begrüßte das neue Gesetz, mit dem "ein unverantwortungsvoller Vertrag verhindert wird". Er hege keine Zweifel daran, dass jedem Friedensvertrag, den er selbst zur Abstimmung vorlege, die Zustimmung des Volkes sicher sei.

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8 Kommentare

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  • T
    TOM

    Joseph: Und das winzige Israel ist määäääächtig groß, wenn es das noch viel winzigere Palästina sich einverleibt und damit vieeeeel sicherer? Hääää?

     

    Seltsame Argumentation! Ein klacks in der Landkarte bleibt ein Klacks in der Landkarte, selbst wenn noch ein paar tüpfelchen dazukommen

  • J
    Joseph

    Es geht natürlich um Sicherheit. Das winzige Israel wäre nach einer Landabgabe im Kriegsfall noch schwerer zu verteidigen. Selbst wenn es Palästinenserchef Mahmud Abbas wirklich ernst mit dem Frieden meinen sollte, so weiß man nicht, wie sein Nachfolger darüber denken wird.

    Darum ist es gut und richtig, dass das Kabinett nicht allein über eine Landabgabe entscheiden kann.

    Übrigens glaubt auch die Mehrheit der Palästineser, dass die Gründung eines eigenen Staates nicht das Ende des Konflikts bedeuten würde!

  • M
    max

    nee titanic, für so einen quatsch kann man niemanden loben. es kann nicht darüber abgestimmt werden, ob ein völkerrechtlich unzulässiger zustand weiter aufrecht erhalten bleibt. das ist im übrigen eine abstimmung über das schicksal anderer, die nicht mitstimmen dürfen. sehr demokratisch.

  • T
    TOM

    titanic: Es ist doch völlig Wurscht ob die Regierung etwas in Israel nicht beschließt wie seit Jahrzehnten, oder die Bürger etwas nicht beschließen wie seit Jahrzehnten. Am Ende ist es für die Palästinenser kein Unterschied. Zeit genug hatte Israel sich an das Völkerrecht zu halten und geklautes Land zurückzugeben. Wenn es bis jetzt nicht geschah, wird es nie mehr etwas und genau da ist der Zündstoff der Zukunft. Ich persönlich finde es traurig, das um diese Stadt Jerusalem und das anliegende Gebiet, schon seit Jahrhunderten über Jahrhunderte sich die Menschen die Köpfe einschlagen. Jeder momentane Besitzer ist dann auch immer felsenfest von seiner Rechtmäßigen Herrschaft überzeugt die er um keinen Milimäter aufgeben will....bis halt zum nächsten "Rechtmäßigen" Herrscher. Aus der Geschichte hat man eben wie so oft nichts gelernt

  • T
    titanic

    Auch die etwa eine Million arabische Bürger Israels sind natürlich abstimmungsberechtigt.

     

    Würde es sich nicht um den klitzekleinen jüdischen Staat Israel handeln, dessen Regierung und Parlament diese unmittelbare Volksbeteiligung bei wichtigen politischen Entscheidungen nun auf demokratischen Wege beschlossen hat, sondern um irgend einen anderen Staat, so würde dieser andere Staat nun von Vielen (gerade auch politisch links stehenden) dafür gelobt werden, dass er soviel Mut zur praktizierten Basisdemokratie bei wichtigen politischen Entscheidungen beweist.

     

    Aber gegenüber Israel ist natürlich alles ganz anders.

  • S
    sascha

    lieber vic, es soll eine volksbefragung stattfinden. heißt das israelische volk wird gefragt. also auch die menschen in tel aviv, netanya, jerusalem ... - und das sind keine siedler.

     

    manchmal hilft es erst zu denken und dann, wenn es denn immer noch nötig ist seine übersichtlichen intellektuellen ergüsse zu posten.

  • S
    Stefan

    "...glauben 73 Prozent nicht daran, dass mit der Gründung eines Staates Palästina der Konflikt beigelegt werden könnte." ...schöne Formulierung!

    Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass diese 73% gegen Frieden sind, sondern vielleicht nur den überwigend einem Frieden mit Israel gegenüber feindlich eingestellten Palästinensern eben diesen Frieden nicht zutrauen.

  • V
    vic

    Künftig wird also den Siedlern überlassen, ob sie das geklaute Land auf dem sie leben, zurückzugeben gewillt sind.

    Merkel würde sagen: Diese Regelung ist ein Durchbruch!