Neues Ehrenmal der Bundeswehr: Erzwungene Normalität
Am Dienstag wird das Ehrenmal der Bundeswehr eingeweiht. Mit der Umsetzung hat sich der Verteidigungsminister Franz Josef Jung Feinde gemacht.
Die Hildebrandstraße in Berlin ist eine schmale Nebenstraße, die den Tiergarten mit dem Landwehrkanal verbindet. Sie ist meist leer, mal sieht man einen Jogger auf dem Weg zum Park, mal einen Touristen, der sich verlaufen hat. An diesem unscheinbaren Ort wird heute mit staatsoffiziellem Pomp ein Ehrenmal eingeweiht, das einer der wichtigen symbolischen Orte der Republik werden soll: das Ehrenmal der Bundeswehr. Verteidigungsminister Franz Josef Jung wird die Gäste begrüßen, Bundespräsident Köhler wird die Festansprache halten, Kränze werden niedergelegt, ein Gottesdienst wird abgehalten, die Inschrift des Ehrenmals enthüllt: "Den Toten unserer Bundeswehr für Frieden Recht und Freiheit".
Diese Inszenierung soll zeigen, dass sich Deutschland nicht mehr von anderen Ländern unterscheidet. Die Bundeswehr kämpft in Afghanistan, in der Hauptstadt wird ein Ort für Soldatengedenken eingeweiht. Doch diese Normalität hat etwas Gewolltes, Erzwungenes. Das kann man an dem Ehrenmal und seiner Geschichte ablesen.
Der Ort wirkt in der Berliner Stadtlandschaft randständig. Das ist kein Zufall, sondern Folge seiner Entstehung. Bauherr ist Verteidigungsminister Jung, das Denkmal steht auf dem Gelände des Ministeriums. Der Vorsitzende der Jury, die über die Entwürfe entschied, war Ulrich Schlie, der Chef von Jungs Planungsstab. Der Jury gehörte unter anderem der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, an - kein Kunstexperte. Die Entscheidung für den Entwurf des Münchener Architekten Andreas Meck fiel fast klandestin.
Soldaten gedenken: das Bundeswehr-Ehrenmal soll der Soldaten gedenken, die beim Dienst für die Bundeswehr ums Leben gekommen sind. Es wird am Dienstag in Berlin eingeweiht. Es steht im Bendlerblock, dem Berliner Dienstsitz des Verteidigungsministeriums. Die Zahl der Menschen, die seit Gründung der Bundeswehr in deren Dienst starben, wird mit 3.100 angegeben. Eine zentrale Gedenkstätte gab es bisher nicht. Den Grundstein für das Ehrenmal hatte Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) im November 2008 Jahres gelegt.
Soldaten gefallen: Jung sprach erstmals im Oktober 2008 bei einer Trauerfeier für zwei Soldaten, die bei einem Anschlag in Afghanistan getötet wurden, von "gefallenen Soldaten". Laut Definition können Soldaten nur in einem Krieg fallen. Das Verteidigungsministerium besteht aber darauf, den Einsatz in Afghanistan als "bewaffneten Konflikt" zu bezeichnen. Die Probleme in der Wortwahl hatten sich auch auf die Diskussion über das Ehrenmal übertragen. Es war lange unklar, wie es gestaltet werden und die Inschrift lauten sollte. Letztlich gewann ein Entwurf des Münchner Architekten Andreas Meck. Die Inschrift lautet: "Den Toten der Bundeswehr - Für Frieden, Recht und Freiheit". (afp)
Daran gab es von Beginn Kritik. FDP und SPD forderten, dass das Parlament über das Denkmal beraten und entscheiden soll. Immerhin ist die Bundeswehr eine Parlamentsarmee. Wenn schon, dann gehöre ein solches Denkmal in die Nähe des Reichstages. Die Grünen kritisierten, dass es falsch ist, nur der Bundeswehrangehörigen zu gedenken. Warum soll die Republik nur Soldaten ehren, nicht aber Zivilisten, die bei Auslandseinsätzen sterben? Kunstexperten echauffierten sich über die traditionelle Formensprache von Mecks Entwurf. 170 Kunsthistoriker kritisierten in einem offenen Brief, dass Mecks Entwurf "Bildformeln des traditionellen Totenkults" benutzt und mit Cella und Steinaltar den Soldatentod "sakral überhöht".
Das Ergebnis dieser Einwände war: fast nichts. Die Kritik perlte an Jung ab. Er behandelte das Thema weiter als Ressortangelegenheit, bei der gefälligst niemand dem Minister hereinzureden hat. Nur der ursprünglich geplante altarartige Monolith wurde, ohne Begründung, stillschweigend weggelassen.
Dieses vordemokratisch anmutende Verfahren erinnert an Helmut Kohl, der Anfang der 90er Jahre per Oktroi die Umgestaltung der Neuen Wache anordnete. Doch bei der Neuen Wache erregten sich Politiker und Feuilletonisten, und niemand zweifelte, dass es bei dieser Debatte um eine Frage nationaler Selbstrepräsentation ging. Beim Ehrenmal haben die Erregungswellen nie die Grenzen der Expertenrunden überwunden. Jung konnte es nur so zackig vorantreiben, weil die Zivilgesellschaft das Ganze zögernd und aus einer Art Halbdistanz betrachtete - unsicher, ob dies wirklich ein republikanisches Projekt ist, das man dem Minister aus den Händen nehmen muss. Zudem sind sich die Kritiker in ihrem Nein einig. Doch was sie wollen, ist schwieriger zu sagen. Manche wollen ein Denkmal beim Reichstag, andere ein Denkmal für Soldaten und Zivilisten, manche eins, das mehr Distanz zum Soldatischen hält, andere gar keins.
Mecks Bau ist gut zehn Meter hoch und vierzig Meter lang. Er hat nichts Überwältigendes, Unangemessenes und fügt sich in das umliegende Gebäudeensemble ein. Die Front zur Hildebrandstraße ist aus Bronze und halb durchsichtig. Halbrunde Formen, die Erkennungsmarken von Soldaten nachempfunden sind, sind ausgestanzt. Per Schiebewand ist der Raum mal militärintern verwendbar, mal öffentlich zugänglich. In der Cella, dem schwarzen Innenraum, werden die Namen der Toten auf einem LED-Display zu sehen sein. Dies ist weniger ein Denkmal für die Toten vergangener Kriege als für die der kommenden.
Der grüne Militärexperte Winfried Nachtwei meint, dass Jungs auffällige Neigung zur Symbolpolitik eine Flucht ist. Je schwerer die Begründung des Afghanistaneinsatzes fällt, so Nachtwei, desto mehr setzt Jung auf Rekrutenvereidigungen vor dem Reichstag, Ordensverleihungen und eben das Ehrenmal.
"Das Ehrenmal", sagt Franz Josef Jung, "steht für eine Bundeswehr, auf die wir stolz sein können." Es soll zeigen, dass die Bundeswehr eine normale Armee ist, Afghanistan ein normaler Einsatz. Aber so ist es nicht. Der entlegene Ort des Ehrenmals legt nahe, dass eher etwas versteckt wird. Jungs autoritärer Stil bezeugt eine Mixtur aus Angst vor der öffentlichen Debatte und grundloser Selbstsicherheit.
Dieses Ehrenmal hat nichts von demokratischer Normalität. Es spiegelt vielmehr die Verkrampfung zwischen dem Militär und einer Gesellschaft, die beim Blick auf Afghanistan zwischen Achselzucken und Erschrecken schwankt.
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