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Neues BildungsmodellAn der Wand Kreuz und Menora

In der Drei-Religionen-Grundschule in Osnabrück sollen bald christliche, jüdische und muslimische Kinder zusammen lernen. Das ist neu - und erntet auch Kritik.

Was unterscheidet die Religionen? Jugendliche betrachten liturgische Gegenstände in einer Ausstellung in der Warschauer Nationalbibliothek. Bild: dpa

Religion könnte an der katholischen Johannisschule in Osnabrück bald nicht nur ein Unterrichtsfach sein. Im Ramadan zum Beispiel könnten die muslimischen Kinder ihre MitschülerInnen zum Fastenbrechen einladen. Die jüdischen Mädchen und Jungen könnten in einer Projektwoche erklären, was koscheres Essen ist. Und die christlichen Kinder würden den anderen Kindern zeigen, wie sie Weihnachten feiern, inklusive Sternebasteln.

So oder ähnlich könnte also der Alltag in diesem Haus aussehen. Was aber genau passieren wird an Deutschlands erster sogenannter trialogischer Schule, ist noch nicht so klar. Denn bis jetzt steht die Schule nur auf dem Papier. Mitte Dezember hat der Osnabrücker Stadtrat dem Konzept des Bistums Osnabrück zugestimmt. Im Sommer 2012 soll der Unterricht in der Drei-Religionen-Schule in der Innenstadt beginnen.

Das Projekt ist bundesweit einmalig. "Ich kenne keine andere Schule, an der es so etwas gibt", sagt Winfried Verburg, Leiter der Schulabteilung des Bistums Osnabrück. Zwar sei es nicht ungewöhnlich, dass mehr als die Hälfte der SchülerInnen an katholischen Lehreinrichtungen eine andere Religion habe. Schließlich gibt es sie auch in Regionen, in denen nicht hauptsächlich Christen leben.

Und so könnte es zugehen an der Drei-Religionen-Schule: An den Wänden in den Klassenräumen werden Kreuz, Halbmond und Menora hängen. In Schulprojekten sollen die Kinder mehr über ihre eigene und die anderen Religionen erfahren. "Spannend wird es beim Mittagessen", vermutet Verburg: "Denn spätestens dann, wenn die einen Schweinefleisch essen dürfen und die anderen nicht, werden Unterschiede deutlich."

Über diese alltäglichen Dinge sollen die Kinder Toleranz und Verständnis füreinander entwickeln. "Sie lernen, aus der Sicht der anderen wahrzunehmen", mutmaßt Verburg. Dadurch würden die Mädchen und Jungen viel über die anderen Religionen lernen.

Von "positiver Religionsfreiheit" ist in Verburgs Konzept die Rede. Die gilt auch für die LehrerInnen. Anders als an staatlichen Schulen dürfen sie ihre Meinung offen vertreten, müssen aber respektvoll und tolerant mit den anderen Ansichten umgehen.

Dass das Bistum die katholische Johannisschule für weitere Religionen öffnet, hat nicht nur uneigennützige Gründe. Denn bisher ist sie eine Bekenntnisschule in öffentlicher Trägerschaft. Das bedeutet in Niedersachsen: Höchstens 20 Prozent der SchülerInnen dürfen nichtkatholisch sein. Das war lange kein Problem. "Die Bekenntnisschulen sind in konfessionellen Wohnmilieus entstanden", erklärt Winfried Verburg. So fanden sich immer genügend katholische SchülerInnen, um die Zweizügigkeit der Schule zu erhalten.

Doch diese Zeiten sind in der Innenstadt Osnabrücks vorbei. Zwar wollen immer noch viele Eltern ihre Kinder auf die Johannisschule schicken. Aber der Anteil der KatholikInnen reicht nicht mehr aus. In der Drei-Religionen-Schule würden sich dagegen genügend SchülerInnen anmelden, glaubt Verburg.

Aber es gibt auch Kritik an der neuen Schulform. Der aktuelle Schulleiter der Johannisschule lässt sich zu Beginn des kommenden Halbjahres versetzen, weil er es lieber gesehen hätte, wenn aus seiner Schule eine öffentliche Einrichtung ohne Zulassungsbeschränkungen geworden wäre. Das sehen einer Umfrage des Schulelternrates zufolge auch 51 Prozent der Eltern so. Nur 23 Prozent der Mütter und Väter befürworten das trialogische Modell. Auch die SPD und die Hälfte der Grünen-Fraktion im Stadtrat stimmten gegen die Drei-Religionen-Grundschule. Ihre Begründung: Auch an staatlichen Schulen treffen die Religionen aufeinander.

Winfried Verburg hält Bekenntnisschulen weiterhin für sinnvoll. In Europa nehme die Zahl der Gläubigen zwar ab. "Weltweit gesehen steigt sie aber", sagt er. Religion sei also nicht gegen den Trend. Die trialogische Grundschule sieht er als Antwort auf diese Entwicklung.

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17 Kommentare

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  • S
    Steffi

    Also ich bin ja sonst bei jeder Gelegenheit die erste, die sich dafür stark macht, den konfessionellen Religionsunterricht aush den Schulen zu verbannen, aber dass dieses Argument ausgerechnet bei diesem Artikel in so gut wie jedem Kommentar vorkommt, finde ich sehr eigenartig.

     

    Wenn schon Religion an der Schule (und seien wir ehrlich, etwas Anderes ist in Deutschland leider nicht mal entfernt in Sicht), dann ist dieses Modell ja wohl 1000-mal besser als die Art, wie sich verschiedene Religionen an normalen Schulen "begegnen". Der intensivste Austausch besteht da im Zweifelsfall darin, dass sich die verschiedenen Gruppen auf dem Schulhof prügeln.

     

    Eine ausdrückliche 3-Religionen-Schule mag zwar in mancher Hinsicht "noch religiöser" als Regelschulen, aber wenn das zu einem aufgeklärteren, kultivierterem, toleranterem Umgang miteinander beiträgt, dann ist es ja wohl alle Mal noch das kleinere Übel.

  • U
    ulschmittz

    ich sag ja:

    sofortige aufkündigung aller "staatskrichenverträge";

    religionsunterricht aller couleur nur noch außerhalb der

    -teuren- staatlichen schulzeit;

    entfernung ALLER religiösen symbole aus öffentlichen schulen;

    verbot, religiöse symbole in schulen demonstrativ als "individualschmuck" zu tragen, z.b. offensiv getragene konfirmations-kreuze als verschämte "bekennererei";

    keine steuereinsammelei mehr für die verschiedenen "kirchen";

    trennung von christlichen feiertagen und schulferien, schulferien nach pädagogischen (belastungs-)gesichtspunkten; 14 wochen zwischen x-mas und ostern hält kein/e schüler/in durch...;

    radikale aufklärung (deschner, wollschläger u.a.), was es mit der christlichen "tradition" in europa tatsächlich auf sich hat; gleich danach dann z.b. den historischen hintergrund der sog. "abrahamitischen religionen", vielleicht mal wieder diese geschichte genauer angucken, da will einer seinen eigenen sohn schlachten, bloß weil ihm angeblich ein gott das angesagt hat... -

    wie jungsteinzeitlich soll's denn noch werden?

  • A
    Atheist

    Die Schule ist für Bildung da, wer an Gott, Jahwe, Spaghettimonster oder Allah glaubt, der soll es gefälligst Zuhause machen.

     

    Dieses Projekt ist für mich ein Meilenschritt in die Vergangenheit!

  • HN
    Heike Nickl

    Gibt es Schweinefleisch in der Kantine ist diese nicht mehr für kosheres Essen geeignet. Hier fängt also schon wieder die Trennung an.

     

    Besser eine Schule, in der alle gleich sein dürfen mit all ihren wunderbaren Unterschieden. Über Religionen kann auch hier neutral und menschenfreundlich gelehrt werden.

    PS: Das Bild in der heutigen Zeitung

    zeigt eine Channukia und keine Menora.

  • Q
    Querulant

    Ich sehe schon die Erweiterung für Atheisten und Agnostiker: für sie hängt man ein weißes Blattpapier neben Kreuz & Co. und den verschiedenen Feiertagen wünscht man ihnen einen schönen Tag...

  • DK
    Dr. Ketscher

    Der weitaus größte Teil der Bevölkerung ist nicht gläubig und, wenn konfesionell gebunden, dann nur formal. Generell sind Religionen, mindestens die christlichen, auf dem Rückzug. Es ist daher notwendig, dem Atheismus eine lehrende Plattform zu geben, damit der Zusammenhang zwischen naturwissenschaflichem Wissen und Weltanschauung im Sinne der Ethik vermittelt wird. Bis dahin bleibt eine Schule hinter den Ansprüchen der Auflärung zurück.

  • TK
    Tom Kha Gai

    "Anders als an staatlichen Schulen dürfen sie ihre Meinung offen vertreten"

     

    An staatlichen Schulen gibt es keine Meinungsfreiheit?

  • MO
    Mario O.

    Und Kinder von Atheisten werden wieder mal ignoriert?

     

    Der Schlusssatz des Berichtes ist aber fantastisch, welch bestechende Logik! :)

  • VJ
    Volker Jäger

    Was für ein Rückfall! Religion hat an öffentlichen Schulen nichts zu suchen - es ist Skandal genug, dass der Steuerzahler in der BRD die Kirchen jährlich mit 20 Mrd. subventioniert.

  • MH
    Malte Hahlbeck

    Besser wäre wohl eine Null-Religionen-Schule.

  • HW
    Hans Wurst

    Das Problem ist die Religion als solche. Sie gehört abgeschafft. Zumindest in staatlichen Betrieben.

  • HF
    Homo Faber

    Dieses Modell ist genauso daneben wie die herkömmlichen. Religion ist Privatsache und gehört deshalb auch nicht in den Schulunterricht. So wird das bespielsweise in den USA und Frankreich gehandhabt. Dort kommen die Religionen nicht schlechter oder besser miteinander aus als hierzulande.

  • W
    Wolfgang

    Die Idee ist nicht schlecht, aber wie sieht es mit den glaubenslosen oder atheistischen Kinder aus? Toleranz?

    Es ist nämlich ein Kreuz mit dem Kreuz!

  • N
    Neuling

    Es wird doch langsam Zeit Religion aus der Schule zu verbannen und nicht noch extra zu fördern!

     

    Das einzigste Fach als Ersatz dafür sollte Religionskunde sein, in der die Geschichte der Religionen als Machtinstrument vornehmlich alter Männer unterrichtet wird.

  • O
    ohno

    Super. Noch mehr Aberglaubengeneratoren. Hört der Unsinn denn nie auf?

  • A
    Anja

    Ich bin total perplex, dass die Idee auf so wenig BEgeisterung stößt, ich (Muslima) finde die Idee toll, würde meine Kinder sofort dort anmelden.

     

    Klar - auch in anderen Schulen treffen "REligionen aufeinander", wie SPD und Grüne betonen. Allerdings ist es nach meiner Erfahrung eher eine Seltenheit, wenn dort wirklich mit Kompetenz und Sensibilität auf alle Anhänger eingegangen wird - das wird bei einer solchen SChule wohl anders sein, denn die Lehrer sind dort wohl auch mehrheitlich entweder selbst religiös oder zumindest aufgeschlossen.

     

    Wenn ich die Wahl hätte, würde ich wohl rückblickend meine Kinder lieber auf eine christliche als eine Regelschule geschickt haben, wie es eine muslimische Freundin von mir tut, deren Tochter deshalb jeden Morgen sogar in ein anderes Bundesland fährt.

     

    In der hiesigenGrundschule waren in der Klasse meiner Tochter ca. 80% muslimisch. Das wurde aber in keinster WEise berücksichtigt, Stichwort "Leitkultur". Ramadan wurde höchstens am Rande angesprochen, aber dreimal wehe, wenn die Adventszeit mit Basteln, Singen, Adventssternen, rosa Gummiweihnachtsmännern aller Orten ins Haus stand!

     

    Wohlgemerkt nicht einen oder zwei Tage, sondern einen kompletten Monat! Und das ist eigentlich auch in anderen SCHulen Standard, was ich nicht okay finde. Bitter lachen musste ich deshalb bei den Worten: "christliche Kinder zeigen den anderen, wie sie Weihnachten feiern, einschließlich Sternebasteln".Also, wer von den Kindern das wohl noch nicht im Kindergarten gelernt hat...

     

    Übrigens geht aus einer kanadischen Studie hervor, dass das Selbstwertgefühl nichtchristlicher Kinder in der Vorweihnachtszeit niedriger ist als noch zwei Monate vorher... (Psychologie heute)

     

    MfG Anja

  • L
    Laizist

    Sich mit den verschiedenen Religionen auseinandersetzen -ist ja schön und gut- aber den ganzen Schulalltag anhand von Religionen auszurichten, ist eindeutig der falsche Weg.