Neues Arbeitsrecht in Frankreich: Sarkozy hebelt 35-Stunden-Woche aus
Formell gelten zwar weiterhin 35 Stunden - die Firmen können aber mit der Belegschaft Mehrarbeit aushandeln. Die legendär kurze Arbeitszeit in Frankreich wird wohl nicht mehr lange die Regel sein.
PARIS afp Der französische Senat hat ein umfassendes Gesetzespaket für den Arbeitsmarkt verabschiedet, mit dem unter anderem die bisher geltende 35-Stunden-Woche ausgehebelt wird. Für die Reformen stimmten am Mittwochabend die Senatoren der konservativen Regierungspartei UMP von Präsident Nicolas Sarkozy. Die oppositionellen Sozialisten votierten dagegen, konnten das Projekt aber nicht stoppen.
Da die Nationalversammlung dem Paket bereits zugestimmt hat, kann es nun in Kraft treten. Das Parlament beschloss zudem strengere Regeln für Arbeitslose. Wenn diese künftig zwei "vernünftige" Jobangebote ausschlagen, kann ihnen die Unterstützung gekürzt werden.
Das Reformpaket sieht als wichtigste Regelung vor, dass die Begrenzung der Arbeitszeit in Frankreich auf 35 Stunden pro Woche formell zwar bestehen bleibt. Zugleich bekommen Unternehmen aber ausdrücklich das Recht, direkt mit ihrer Belegschaft abweichende Arbeitszeiten zu vereinbaren.
Nach Ansicht von Gewerkschaften und anderen Kritikern der Reform bedeutet dies de facto das Ende der 35-Stunden-Woche. Ebenfalls geändert werden durch die neuen Gesetze die Regeln zu Streiks, die künftig nur unter bestimmten Vorbedingungen von den Gewerkschaften ausgerufen werden dürfen.
Die 35-Stunden-Woche war von der sozialistischen Regierung unter Premier Lionel Jospin über mehrere Gesetze ab Mai 1988 eingeführt worden. Damit wurde die Arbeitszeit von davor 39 Stunden herabgesetzt. Ziel war es, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und mehr Menschen eine Anstellung zu ermöglichen.
Laut einer umstrittenen Schätzung des französischen Statistikinstituts Insee entstanden so 350.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Aber natürlich erhöht das auch die Kosten der Unternehmen und senkt die Kaufkraft der Beschäftigten. Präsident Sarkozy hatte die 35-Stunden-Woche im Wahlkampf als "allgemeine Katastrophe für die französische Wirtschaft" bezeichnet.
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