piwik no script img

Neues Amt für Atomkraft und Entsorgung

Bundesumweltminister Töpfer gründete in Salzgitter offiziell das Bundesamt für Strahlenschutz / Neuer Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz gegen niedrige Grenzwerte / Planfestellungsverfahren für Schacht Konrad noch einmal auf Eis gelegt  ■  Aus Salzgitter Jürgen Voges

Als „Promoter einer neuen Sicherheitskultur in der Industriegesellschaft“ hat Bundesumweltminister Klaus Töpfer gestern in Salgitter das neugegründete „Bundesamt für Strahlenschutz“ zu verkaufen versucht. Die Mitarbeiter des neuen Bundesamtes, die „Träger dieser neuen Sicherheitskultur“, hätten „Probleme des Strahlenschutzes und der kerntechnischen Sicherheit in einer oftmals aufgewühlten Öffentlichkeit nüchtern zu vertreten und die Lösung der Entsorgungs- und Endlegerprobleme voranzubringen“, sagte der Bundesumweltministers anläßlich der offizellen Gründung des Amtes. Die niedersächsischen Grünen hingegen bezeichneten gestern die Errichtung des Strahlenschutzamtes als Versuch, „den ungehemmten Ausbau der Kernenergie auf der verwaltungstechnischen Ebene abzusichern“. Den gestern von Töpfer in sein neus Amt eingeführten Präsidenten des Bundesamtes, Professor Alexander Kaul, nannte der Grüne Landtagsabgeordnete Hannes Kempmann einen „ausgewiesenen Verfechter des Heraufsetzens der Strahlenschutzgrenzwerte“. Der Grünen-Abgeordente errinnerte daran, daß Professor Kaul nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl eine Erhöhung der Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung von 30 Millirem auf 500 Millirem vertreten habe.

Auch Professor Kaul selbst sagte gestern bei seiner Antrittsrede in Salzgitter, daß nicht die Forderung nach niedrigen Grenzwerten das Handeln des Bundesamtes für Strahlenschutz bestimmen werde, sondern „die Minimierung der Belastung der Bevölkerung entsprechend dem Stand von Wissenschaft und Technik“. Als eine wichtige Aufgabe seines Amtes bezeichnete es der neue Präsident, „vor allem im Eignisfall die Daten über Strahlenbelastung zu zentralisieren und die Empfehlungen an den Bundesumweltminister für die Vorsorge zu optimieren. Die niedersächsischen Grünen befürchteten gestern hingegen, daß durch das Bundesamt in Zukunft insbesondere bei Unfällen „eine gezielte und einseitige Öffentlichkeitsarbeit betrieben wird, die die wahren Gefahren verschleiert und dem Informationsbedürfnis der Bürger in keinster Weise Rechung trägt“.

Sowohl Bundesumweltminister Töpfer als auch Professor Kaul sehen eine „orginäre und dringliche Aufgabe“ des Strahlenschutzamtes in der „Verwirklichung der Endlager Gorleben und Schacht Konrad“. Strahlenschutzpräsident Kaul sprach sich gestern für eine Beschleunigung der beiden niedersächsischen Endlagerprojekte aus und sagte, aus Sicht des Bundesamtes für Strahlenschutz könne die Auslegung der Planfeststellungsverfahren für das Endlager Konrad sofort erfolgen. Demgegenüber verlangte der niedersächsische Umweltminister Werner Remmers in seiner Rede anläßlich des Amtsgründung zunächst „eine gemeinsame Erklärung zu Schacht Konrad“ des neugegründeten „Bund-Länder -Staatssekretärsauschusses“, der neue Richtlinien zur Atommüllentsorgung ausarbeiten soll. Erst nach der Erklärung dieses Ausschusses, der dann auch die SPD-regierten Bundesländer zustimmen müßten, werde Niedersachsen mit dem öffentlichen Teil des Planfestellungsverfahren für Schacht Konrad beginnen.

In neue Bundesamt für Strahlenschutz werden das Münchener Institut für Strahlenhygiene des Bundesgesundheitsamtes, das Freiburger Institut für atmosphärische Radioaktivität des Bundesamtes für Zivilschutz, Teile der Gesellschaft für Reaktorsicherheit und die Abteilung Sicherstellung und Endlagerung der physikalisch-technischen Bundesanstalt jetzt verwaltungstechnisch eingegliedert. In etwa fünf Jahren sollen diese Abteilungen des Amtes auch gemeinsam einen Neubau in Salzgitter beziehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen