■ Neuerscheinung: Erstes Ersten-Buch
„Von der ersten Bürgermeisterin zur ersten Busfahrerin“, so heißt die neueste Broschüre der Frauen-Gleichstellungsstelle – eine 140 Seiten starke Enttäuschung. Dabei war die Idee, alle Bremerinnen, die in ihren Berufen „die Ersten“ gewesen waren, gesammelt vorzustellen, wirklich gut. Wer weiß schließlich, daß Bremens erste Fleischermeisterin, Anni Sophie Bullenkamp, zugleich die erste im Deutschen Reich war? Noch dazu eine, die sich „nicht auf Kleinvieh beschränkte“, wie die Bremer Zeitung 1925 vermerkte. Wer hat parat, daß Marieluise Beck, derzeit Grüne Bundesausländerbeauftragte, Bremens erste weibliche Bundestagsabgeordnete war? Wer ahnt, daß die erste Bremerin auf Hindukusch-Expedition die 1916 geborene Gudrun Heyser war?
Solche Anreißer machen Lust auf mehr. Aber schon da beginnt die Schwäche der Broschüre. Wer nur simple weiterführende Fragen hat: Wieso ausgerechnet Sie? Wie wars? Wie ist es heute?, wird in den unerträglich zurückhaltenden, dürren und offenbar unredigierten Selbstbeschreibungen der zeitgenössischen „Ersten“ kaum Antworten finden – als schämte frau sich. Auch die meist kontrastlosen und lieblos bearbeiteten Fotos – zu übrigens längst nicht allen Kandidatinnen – tun ein übriges, um abzuschrecken. Ein weiteres Frauenbuch das, gutgemeint, das Gegenteil davon ist.
Dabei hätte das Pionierinnen-Thema das Zeug zur anregenden Sommerlektüre. Das Erscheinungsdatum ist ideal, sonst wenig. So fehlt auch – völlig ärgerlicherweise – ein Index von allen im Heft verzeichneten Frauen. Der alleine hätte – vom Gebrauchswert einmal abgesehen – Informationsgehalt. Einigermaßen erstaunlich ist nämlich, wie viele der „Ersten“ erst in den 50er Jahren angetreten und oft noch im Geschäft sind. Da wimmelt es von Namen aus dem städtischen und politischen Alltag: Adelheid Biesecker (Wirtschaftswissenschaftlerin), Helga Ziegert (DGB-Vorsitzende Bremen), Inge Schmitz-Feuerhake (Physikerin), Gülsen Iletmis (Migrantin in der Bürgerschaft), Annemieke Wijn (Geschäftsführerin bei Kraft Jacobs Suchard Deutschland), Inge Sandstedt (Frau im Plenum der Handelskammer) undsoweiter. Finden wird sie nur, wer blättert. Guten Gewissens überblättern darf frau übrigens das Kapitelchen „Ausgrenzung und Verdrängung – Berufsverbote für Frauen“ – weil es weniger Fragen beantwortet, als es aufwirft. ede
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