: Neuer Zug
■ Zu den Nachwirkungen des Gipfeltreffens
Trotz aller Skepsis kommt Hoffnung auf. Die beiden Supermächte überschütten sich mit Freundlichkeiten - die Tür für Verhandungen sei noch nicht zugeschlagen, tönt es auf beiden Seiten. Und tatsächlich: Mit der Ankündigung des sowjetischen Chefunterhändlers in Genf, Karpow, bei der Wiederaufnahme der Gespräche über Mittelstreckenraketen in Europa und Asien das SDI–Projekt auszuklammern, hat die sowjetische Führung einen Zug getan, der die bisherige Argumentation der Reagan– Administration unterläuft. Gorbatschow pokert nach wie vor hoch. Die demonstrative Härte nach dem Scheitern der Gespräche hat aber offenbar innenpolitisch ihre Wirkung erzielt. Das Politbüro hat sich für die Fortführung der Verhandlungen ausgesprochen und damit Gorbatschows Kurs gegen die Bedenken der Militärs unterstützt. Auch Reagan hat Hoffnungen erweckt. Bis auf das SDI–Projekt wurden viele der oftmals nur rhetorischen gemachten Null–Lösungen, Halbierungsvorschläge und Angebote zur Reduzierung von Mittelstreckenraketen in die Verhandlungen eingebracht. Das neue sowjetische Entgegenkommen nimmt die Vorschläge beim Wort. Damit ist ein Mechanismus in Gang gesetzt, der es beiden Weltmächten nicht mehr gestattet, ohne Gesichtsverlust die eigene Rhetorik zurückzunehmen. Daß dabei tatsächlich die „Befreiung der Menschheit von den Atomwaffen“ herauskommt, steht weiterhin in den Sternen. Mit dem Abbau der Mittelstreckenwaffen in Europa und Asien könnte sich etwas bewegen, auch wenn diese Waffensysteme für beide Supermächte inzwischen von untergeordnetem Wert sind. Für Gorbatschow aberwäre dies schon der Erfolg, den er für die Fortführung seines Reformkurses braucht. Erich Rathfelder
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen