Neuer Wenders-Film „Grenzenlos“: Ganz tief unten
Wim Wenders hat in seiner Literaturverfilmung „Grenzenlos“ eine stark symbolische Konstellation am Wickel. Terror gibt es auch.
Treffen sich ein britischer Geheimagent und eine Meeresforscherin im Luxushotel in der Normandie. Der Geheimagent James Moore (James McAvoy) ist offiziell Wasserbauingenieur mit inoffiziellem Terrorbekämpfungsauftrag in Somalia, die Wissenschaftlerin Danielle Flinders (Alicia Vikander) erkundet das Vorkommen von Lebensformen in der Tiefsee, die ihrer Vermutung nach die Quellen des Lebens auf der Erde überhaupt sind.
Er kämpft mithin gegen Leute, die anderen ihr Leben streitig machen, sie arbeitet dafür, das Leben auf der Erde weiter möglich zu machen. Eine symbolische Konstellation eben. Und eine, in der das Leben selbst ganz konkret auf dem Spiel steht.
Zu Beginn von Wim Wenders’ aktuellem Spielfilm „Grenzenlos“ lernt man Danielle kennen, sie steht kurz vor ihrem ersten Tauchgang im Tiefsee-U-Boot. Sie ist unruhig, da sie James nicht erreichen kann. Der, so erfährt man in der nächsten Szene, steckt tatsächlich in Schwierigkeiten, weil ihn die Terroristen geschnappt haben.
Der Film verfolgt dann in einem Hin und Her zwischen der Handlung im Jetzt und den Rückblenden, die von der zufälligen Begegnung des ungleichen Paars an der normannischen Küste erzählen, wie beide an ihre Grenzen stoßen. Sie, weil sie in der Tiefe, warum auch immer, von einer dunklen Todessehnsucht ergriffen wird; er, weil er ernsthaft mit dem Tod konfrontiert ist.
„Grenzenlos“. Regie: Wim Wenders. Mit James McAvoy, Alicia Vikander u. a. Deutschland/Frankreich/Spanien/USA 2017, 112 Min.
Ein politischer Film ist „Submergence“, wie er im Original nach dem gleichnamigen Roman des Schriftstellers J. M. Ledgard heißt, eher nicht. Man erlebt zwar aus James’ Perspektive, wie es ist, in den Fängen von Islamisten von einem Kerkerverlies ins nächste geschubst zu werden, wie es mitunter Willkür ist, die einen in einer solchen Situation am Leben zu halten vermag, doch im Grunde geht es um einen Mann und eine Frau, die sich lieben, dummerweise voneinander getrennt sind und beide auf ihre eigene Art mit Haltung durchs Leben gehen.
Recht spröde Charaktere
Die Gespräche der beiden sind dabei, trotz McAvoys schottischem Akzent, so schematisch wie die Konstruktion der Handlung. Und dass beide recht spröde Charaktere sind, rettet den Film keinesfalls vor tiefensimulierendem Kitsch.
Die interessanteste Szene gibt es denn auch gleich zu Beginn. Da sieht man Danielle in einem Taucheranzug, wie sie sich mühsam mit diesem Ganzkörperpanzer vorarbeitet. Wenig später ist zu erkennen, dass sie durch eine nachgebaute Unterwasserwelt stapfte, auf dem Trockenen. Ein wenig gibt der Film an dieser Stelle seine eigenen Mittel preis: Die – weitgehend ereignisarmen – Unterwasserszenen im U-Boot wurden auch nicht im dunklen Meer gedreht. Sondern in einem Tank.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren