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Neuer Standort für Indiens BilligautoTata-Nano fängt von vorne an

Nach starken Protesten von Bauern sucht die indische Firma Tata einen neuen Standort für ihre Fabrik. Sie will den billigsten Wagen der Welt bauen. Nur: Jetzt bekommt sie schon wieder Ärger.

Das billigste Auto der Welt (1700 Euro) hat Probleme, eine Produktionsstätte zu finden Bild: dpa

DELHI taz Erst vor wenigen Tagen hat sich Indiens Autokonzern Tata nach heftigen Protesten aufgebrachter Bauern aus dem ostindischen Bundesstaat Westbengalen zurückgezogen. Doch nun löst die Suche nach einem neuen Standort, an dem das billigste Auto der Welt, der nur 1.700 Euro teure Tata Nano, gebaut werden soll, neuen Ärger aus: Denn auch im südindischen Bundesstaat Andhra Pradesh gingen nun Landwirte auf die Straßen. Sie blockierten Zufahrtswege und hinderten so Tata-Mitarbeiter daran, Land für eine mögliche neue Produktionsstätte zu besichtigen.

Bauern gegen die Industrie: Es ist eine Auseinandersetzung, die in Indien bereits mehrfach Projekte verhindert hat. Nun musste Konzernchef Ratan Tata vor wenigen Tagen bekanntgeben, er werde sein Werk aus Singur in Westbengalen verlagern. Wütende Bauern hatten einen Teil ihres Landes zurückverlangt und geklagt, sie seien von der Regierung gewaltsam enteignet und nur unzureichend entschädigt worden.

Die Proteste wurden immer gewalttätiger. Zuletzt mussten die Arbeiter, die das Werk beinahe fertiggestellt hatten, unter Polizeischutz zur Arbeit gebracht werden. "Man kann kein Werk betreiben, wenn Bomben geworfen werden", sagte Konzernchef Tata. Er will die Fabrik jetzt wieder abbauen und in einem anderen Bundesstaat neu errichten. In Singur kam es daraufhin jedoch zu neuen Protesten - diesmal von den Befürwortern des Werks.

Viele Menschen in der Region hatten ihre Hoffnungen darauf gesetzt. Denn Westbengalen, einst die Industriehochburg Indiens, hängt heute der rasanten Entwicklung des Landes hinterher. Der Bau des Nano sollte Arbeit für tausende Menschen schaffen.

In der Kritik steht jetzt vor allem Mamata Banerjee. Die Anführerin der Regionalpartei Trinamool Congress hatte ihre Anhänger und die Bauern der Region monatelang zu den Protesten aufgerufen und von Tata gefordert, 160 der 400 Hektar Land zurückzugeben. Sie zeigte sich jedoch über Tatas Rückzug und die Kritik überrascht. "Wir haben die Agitation vor mehr als einem Monat gestoppt, wieso ziehen sich die Tatas jetzt zurück?"

Die Auseinandersetzungen zwischen der Industrie und der Landwirtschaft hat in den vergangenen Jahren an Heftigkeit zugenommen. Vergangenes Jahr kam es in Westbengalen zu blutigen Zusammenstößen, als Bauern und ein linkes Aktionsbündnis gegen die Einrichtung einer 40 Quadratkilometer großen Sonderwirtschaftszone rund 70 Kilometer von der Hauptstadt Kalkutta protestierten.

Linke Aktivisten besetzten die Region, maoistische Rebellen schlossen sich ihnen an. Die bewaffneten Zusammenstöße mit Vertretern der kommunistischen Regierungspartei forderten vermutlich hunderte Tote. Die Ereignisse lösten in Indien großes Entsetzen aus. Die Pläne für die Sonderwirtschaftszone wurden aufgegeben.

Indiens Bauern stehen unter Druck. Anfang der 90er-Jahre öffnete das Land seinen bis dahin streng abgeschirmten Markt. Milliardenschwere Investitionen aus dem Ausland strömten in das Land und lösten in den Metropolen einen ungeahnten Boom aus. Doch gleichzeitig verarmten Millionen Bauern, denn hochsubventionierte Agrarprodukte aus dem Westen rissen vielerorts die Preise in die Tiefe. Die drohenden Enteignungen für weitere Industrieprojekte bedrohen nun vor allem Kleinbauern. Ihr weniges Land ist ihre einzige Lebensgrundlage.

Tata scheint es indes in den westindischen Bundesstaat Gujarat zu ziehen. Die dortige hindunationalistische BJP-Regierung drückt mit eiserner Hand die Interessen von Investoren durch - auf Kosten der Minderheiten.

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