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Neuer Roman von Alexandros StefanidisAus nicht ganz so gutem Hause

Alexandros Stefanidis' Erzählung „Beim Griechen“ wurde ein Bestseller. Nun folgt sein neuer Roman „Wie geht’s den Jungs vom Gottesacker?“

Keine Hölle, aber auch nicht schön: katholisches Internat. Bild: Imago / Rüdiger Wölk

Wenn einer beim Focus landet, kann man wohl sagen, er hat es geschafft. Der Journalist Alexandros Stefanidis hat jetzt bei dem selbsternannten „Nachrichtenmagazin für die modernen Meinungsbildner unserer Zeit“ als Leiter der Reportage-Einheit angefangen. Das ist immer noch bemerkenswert, auch wenn sich hierzulande immer häufiger ausländische Namen unter die geläufigen bei Print und TV mischen. Und zwar gar nicht im engen Sinn wegen des „Migrationshintergrunds“ der Betreffenden – nicht wenige gehören ohnehin mindestens der zweiten Generation von Einwanderern an.

Bemerkenswert ist das vor allem wegen der sozialen Migration, die mit den meisten der Biografien einhergeht: Wer von ihnen einen bildungsbürgerlichen Hintergrund hat, macht keinen „gesellschaftlichen Aufstieg“ – was nicht heißt, dass er nicht mit Ausgrenzung konfrontiert sein kann. Für soziale Durchlässigkeit ist Deutschland nicht berühmt, und Berichte davon, wie es gelingen kann, gibt es wenige.

Alexandros Stefanidis ist Sohn eines Gastronomen. In „Beim Griechen“ erzählte er vor vier Jahren vom Restaurant seiner Familie in Rufweite der Bundesstaatsanwaltschaft in Karlsruhe, wo sich Petra Kelly, Zuhälter und Justizreporter die Klinke in die Hand gaben. In „Wie geht’s den Jungs vom Gottesacker?“ führt der Enddreißiger jetzt erneut ins Mittelpaläolithikum des Verhältnisses der Deutschen zu ihren Gastarbeitern, in die späten 1980er Jahre, als Kanzler Kohl und Konsorten dabei waren, möglichst viele Ausländer und Flüchtlinge zur Rückkehr zu bewegen.

Die Erzählung mit dem Untertitel „Meine unorthodoxe Jugend im katholischen Internat“ hält sich nicht mit romanhafter Durcharbeitung und Objektivierung des biografischen Stoffs auf. Einfach drauflos und deshalb migrationssoziologisch viel interessanter als etwa Jagoda Marinić’ „Restaurant Dalmatia“ (2013) wird hier von einer ziemlich besonderen Jugend aus der zweiten Generation berichtet. Weil seine Schulleistungen in den Keller gingen und ihnen der nahe gelegene Bolzplatz „Gottesacker“ mit seiner Gemeinschaft von Migrantensöhnen nicht das beste Umfeld erschienen, entschlossen sich die Eltern, den Jüngsten kurz vor seiner Pubertät in fremde Obhut zu geben.

Das Buch

Alexandros Stefanidis: „Wie geht's den Jungs vom Gottesacker?“. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2014, 256 S., 9,99 Euro

Wie man so disponiert ist

Die Wahl, auch weil es schon recht abgehalftert und relativ günstig war, fiel auf das inzwischen geschlossene Internat St. Pirmin im Unort Dahn. Kicken auf dem Gottesacker, der ohnehin mehr und mehr zum Drogenumschlagplatz wurde, gab’s von nun an nur noch am Wochenende. Es dauerte erwartungsgemäß nicht lang, bis Kumpel „Tayfun mäkelte, ich würde nicht mehr wie einer von ihnen denken“.

Das Internat selbst ist zwar keine Hölle à la „Törleß“ oder Odenwaldschule, mit dem „kirchlichen Bohei“ (Stefanidis) nahm man es zu dieser Zeit dort auch nicht so genau, im Übrigen gingen die Jungs auf ein ganz gewöhnliches Gymnasium am Ort. Aber vom ersten Abend an hat Alexandros seinen Vornamen eingebüßt, wie er schreibt („Kein anderer hatte schwarze Haare“), und wird fortan „Der Grieche“ genannt. Schwerer wiegt, dass ihn ein älterer Schüler auf dem Kieker hat, der sich dank seiner Statur als Institutionsdespot aufspielen kann.

Rassismus und andere Schlamassel

Es stellt sich jedoch heraus, dass der angehende Teenager vom Gottesacker und aus seiner Familie – ganz im Gegensatz zu denen vieler seiner Mitinsassen, die überhaupt nur dort sind, weil ihre getrennt lebenden Eltern sich von ihrer Betreuung überfordert sehen – einen gebührenden Rückhalt mit in die Südwestpfalz bringt. Eines Tages brät er dem Sadisten gekonnt eins über und genießt fortan in St. Pirmin einen gewissen Respekt.

Stefanidis berichtet ohne jede Larmoyanz von rassistischen Erfahrungen, aber auch dem ganzen anderen Schlamassel, in den ein Schüler aus nicht ganz so gutem Hause geraten kann. Vielleicht wird eins umso deutlicher, je individueller, je mehr am Einzelnen entlang erzählt eine Geschichte ist: Das Gefühl, rassistisch ausgegrenzt zu werden, ist etwas reichlich Zusammengesetztes. Dafür genügen einzelne ätzende Vorfälle in der Biografie nicht unbedingt. Außenseiter kann man aus vielen Gründen werden, und wie jemand damit umgeht, hängt wesentlich auch davon ab, wie man sonst so disponiert ist.

Ob sich das Buch für Schüler eignet? Wer von den Zuständigen Zweifel hat, ob etwa eine Passage wie die über den Schreibprozess – „Mittlerweile habe ich mir ein drittes Glas Whiskey-Cola eingeschenkt. Wenn ich trinke – da geht es mir wohl wie vielen –, fließen meine Gedanken schneller, lösen sich Barrieren auf“ – zumutbar ist, kann Seite 136 ja gewaltsam entfernen.

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